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Vor knapp fünf Jahren stach eine Meldung aus dem Silicon Valley aus der Vielzahl an technologischen Erfolgsmeldungen hervor: In einem Forschungslabor von Google hatten Entwickler einen Quantenprozessor getestet, der eine spezielle Rechenaufgabe signifikant schneller gelöst hatte als klassische Supercomputer. „Googles Quantencomputer beweist Quantenüberlegenheit“– die Schlagzeile umspannte den Globus und rückte ein Forschungsgebiet ins Rampenlicht, für das sich lange nur die Fachwelt interessierte.

Am Vorabend der zweiten Quantenrevolution

Branchenkenner überraschte dieser Durchbruch nicht wirklich – wie auf der HANNOVER MESSE werden neue Quantentechnologien auch im Silicon Valley und anderswo bereits länger als Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts gehandelt. Ingenieure erwarten ebenso wie nicht wenige Investoren eine zweite Quantenrevolution – mit dem Potenzial, nicht nur die Wirtschaft, sondern die ganze Gesellschaft tiefgreifend zu verändern. Vergleichbar mit den Folgen der technologischen Errungenschaften nach der Geburt der Quantenmechanik. In den 1950er- und 60er-Jahren schufen sie mit Transistor und Laser die Grundlagen für Computertechnologie und Glasfaserinternet, globale Vernetzung und Digitalisierung. Die Wegbereiter der zweiten Quantenrevolution verfolgen vergleichbare Ziele und wollen mit wegweisenden Entwicklungen ganze Industriezweige erneuern. Doch welche quantentechnologischen Ansätze stehen derzeit besonders im Fokus?

Quantencomputer – klassischen Superrechnern theoretisch weit überlegen

Quantencomputer nutzen quantenphysikalische Phänomene wie Überlagerung und Verschränkung, um Rechenaufgaben hochparallel lösen zu können. Daraus ergeben sich außerordentliche Geschwindigkeitsvorteile, mit denen Quantencomputer vor allem bei spezifischen Problemen jeden klassischen Superrechner bei weitem übertreffen. Statt mit Datenbits, die entweder den Wert 0 oder 1 haben, rechnen Quantencomputer mit Quantenbits, meist zu Qubits abgekürzt, die viel mehr auf dem Kasten haben: Es sind atomare Systeme in einer Art Schwebezustand, die gleichzeitig die Zustände 0 oder 1 sowie alle Werte dazwischen repräsentieren können, analog zu Schrödingers Katze im berühmten Gedankenexperiment, die zugleich als tot und lebendig gelten kann – solange man sich keine Gewissheit verschafft. Während ein PC mit 10 Bits nur einen von 1024 Werten kodieren kann, kann ein Quantencomputer mit 10 Qubits all diese Werte gleichzeitig verarbeiten. Ein Register mit 250 Qubits soll theoretisch mehr Zahlen speichern können, als es Atome im Universum gibt.

Skalierbarkeit der Hardware ist entscheidend

Die Pioniere der Quantencomputertechnologie beschreiten unterschiedliche Wege, um die elementaren Informationseinheiten von Quantencomputern zu realisieren. Unternehmen wie Google, IBM, Intel und das kanadische Unternehmen D-Wave verwenden beispielsweise tiefgekühlte supraleitende Stromschleifen als Qubits, während die Quanten-Forscher an der Universität Innsbruck schwebende Atome nutzen, die sie mit Laserlicht manipulieren. Auf künstliche Atome in Halbleiterchips setzt zum Beispiel Microsoft. Welche Hardware sich durchsetzen wird, ist aktuell noch nicht entschieden und wird vor allem davon abhängen, wie gut sie zu skalieren ist. Die aktuellen Quantenprozessoren mit einigen Dutzend bis hunderten Qubits sind noch nicht bereit für eine Revolution. Für durchschlagende Quantenpower braucht es laut Expertenmeinung Prozessoren mit Millionen Qubits. Doch die Skalierung schreitet schnell voran und Quantencomputer könnten innerhalb von zehn Jahren konventionelle Elektronengehirne übertrumpfen.

Quantenkommunikation – mit Sicherheit ein Zukunftsthema

Auch als Grundlage für absolut abhörsichere Kommunikationskanäle dient die Quantenphysik. Bereits seit rund 15 Jahren sind kommerzielle Quantenkryptographie-Systeme, mit denen Banken, Behörden, Unternehmen und Geheimdienste vertrauliche Informationen austauschen, Realität. Derzeit arbeiten Forscher vielerorts daran, regionale Quantennetzwerke für die sichere Kommunikation und die Vernetzung künftiger Quantencomputer aufzubauen. Als weltweiter Vorreiter auf diesem Gebiet gilt China, wo 2017 ein 2.000 Kilometer langes Glasfasernetz für Quantenkryptographie in Betrieb genommen wurde. Zudem ist China auch bei der satellitengestützten Quantenkommunikation führend. 2017 vermittelte der chinesische Quantensatellit Micius zwischen Peking und Wien die weltweit erste quantenkryptographisch gesicherte Videokonferenz. Das Potenzial dieser Weltpremiere wurde schnell deutlich: ein globales Quanten-Internet. Eine der Schlüsselkomponenten dafür sind sogenannte Quanten-Repeater, die es ermöglichen, Quanteninformation in Glasfaserkabeln über große Distanzen zu verschicken. Unter Fachleuten gelten Quanten-Repeater als der heilige Gral der Quantenkommunikation. Ihre Entwicklung wird intensiv vorangetrieben und auch in Deutschland und Europa mit Millionen an Steuermitteln gefördert.

Quantensimulatoren – tiefe Einblicke in das Verhalten komplexer Vielteilchensysteme

Quantensimulatoren gelten gegenüber universellen Quantencomputern als weniger vielseitig. Doch sie erlauben Grundlagenforschern und Materialwissenschaftlern tiefe Einblicke in das Verhalten komplexer Vielteilchensysteme wie Gase, Flüssigkeiten und Festkörper. Wegen der sogenannten Quantennatur atomarer Partikel steigt bei klassischen Computern der Rechenaufwand für die Modellierung solcher Systeme exponentiell. Konventionelle Superrechner sind deshalb in der Regel schon überfordert, wenn sie das Zusammenspiel nur einiger Dutzend Quantenteilchen im Detail simulieren sollen. 1982 schlug der US-Physiknobelpreisträger Richard Feynman deshalb vor, die wesentlichen Merkmale komplexer Vielteilchensysteme mit gezielt manipulierbaren Quantensystemen nachzubilden. Seitdem entwickelt sich daraus das rasch wachsende Forschungsfeld der Quantensimulationen. Tiefgekühlte Atome werden – vergleichbar mit Eiern in einem Karton – in Lichtgittern aus Laserstrahlen festgesetzt. Durch eine gezielte Manipulation der Abstände und Wechselwirkungen innerhalb dieser optischen Kristalle sollen sich wichtige Fragen der Materialforschung klären lassen, zum Beispiel die Entstehung von Magnetismus und elektrischer Leitfähigkeit auf atomarer Ebene.

Quantensensoren – Magnet- und Gravitationsfelder präziser als je zuvor registrieren

Die präzise Kontrolle von Quantensystemen auf atomarer Ebene, die vielen Experten als eigentlicher Motor der zweiten Quantenrevolution gilt, eröffnet auch der Messtechnik neue Möglichkeiten. Unter Nutzung von Quanteneffekten können hochempfindliche Messfühler realisiert werden, die etwa Magnet- und Gravitationsfelder präziser als je zuvor registrieren. Auch Zeitmesser, die noch viel exakter zu Werke gehen als die besten Atomuhren, sind in der Entwicklung. Sie sollen unter anderem die Genauigkeit von Satellitennavigationssystemen deutlich steigern.

Welche konkreten Anwendungen sind bereits heute schon verfügbar?

Kommerziell verfügbar sind bereits einige wenige Quantentechnologien der zweiten Generation. Fachleute rechnen mit einer breiten Marktdurchdringung innerhalb der kommenden zehn Jahre. Viele Unternehmen wie beispielsweise die Autobauer BMW und Volkswagen bereiten sich darauf vor; dort begann man bereits vor Jahren, mögliche Einsatzbereiche künftiger Quantencomputer zu prüfen und erste Quantenalgorithmen zu entwickeln, die auf den ersten rudimentären Quantenprozessoren liefen. Aktuell liefern diese Testprozeduren den Unternehmen noch keine umsetzbaren Vorteile, das Potenzial aber ist erkennbar groß. Insbesondere bei exponentiell skalierenden Optimierungsaufgaben in der industriellen Produktion und Logistik könnten Quantencomputer laut Expertenmeinung in wenigen Jahren für entscheidende Vorteile sorgen. Auch bei der Simulation komplexer Materialien und chemischer Prozesse, um beispielsweise leistungsfähigere Batterien oder Brennstoffzellen zu entwickeln, sowie bei Risikoanalysen und maschinellem Lernen könnten Quantencomputer für neue Leistungsdimensionen sorgen.

Wie weit sind Europa, Amerika und Asien?

Da der Wettlauf um die Zukunftstechnologien der Quantenphysik von größter Wichtigkeit ist, startete die EU-Kommission 2018 mit dem Quanten-Flaggschiff-Projekt eine Technologieoffensive, die über zehn Jahre mit mehreren Milliarden Euro gefördert wird. Auch in den USA und Kanada, Japan und China gibt es vergleichbare Initiativen zur Kommerzialisierung disruptiver Quanteninnovationen. Die deutsche Bundesregierung fördert im Rahmen ihres Konjunktur- und Zukunftspaktes Quantentechnologien und Quantencomputing mit zwei Milliarden Euro. Ein dafür eingesetztes Gremium mit Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft erarbeitete eine entsprechende „Roadmap Quantencomputing“.

Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit

Um Deutschland im Verbund mit Europa in den kommenden zehn Jahren an die Weltspitze bei Quantencomputing und Quantensensorik zu führen, legte das Bundesforschungsministerium vor zwei Jahren ein neues Forschungsprogramm für Quantensysteme auf. Gefördert wird die praxisnahe Entwicklung und Anwendungen von Quantentechnologien und Quantencomputing mit 878 Millionen Euro. Im Fokus stehen die Entwicklung eines deutschen Quantencomputers sowie entsprechende Software und Anwendungen.

Wo findet sich Quantentechnologie auf der HANNOVER MESSE 2024?

Neben dedizierten Quantenspezialisten wie die Stuttgarter Q.ANT GmbH (Halle 2, Stand 31) oder die Münsteraner Pixel Photonics GmbH (Halle 2, Stand A02/9) widmet sich insbesondere ein regional ansässiger Aussteller dem Thema: Quantum Valley Lower Saxony (QVLS - Halle 2, Stand A02/5) verknüpft als gemeinnütziger Verein Wissenschaft, Industrie und Politik mit dem Ziel, ein regionales Ökosystem mit internationalem Impact für Quantentechnologien auf- und auszubauen. Analog zur Kombination aus Wissenschaft, Industrie und Politik engagiert sich der Verein in Forschung, Technologie-Transfer & Bildung und verknüpft die verschiedenen Akteure. Auf der HANNOVER MESSE 2024 präsentiert der QVLS Erfolge und Meilensteine aus diesen Bereichen und nutzt die Gelegenheit, sein Netzwerk weiter auszubauen.

Bau eines niedersächsischen Quantencomputers als Leuchtturmprojekt des QVLS

Das Leuchtturmprojekt des QVLS ist der Bau eines niedersächsischen Quantencomputers auf der Basis von gefangenen Ionen. Auf der HANNOVER MESSE 2024 werden unter anderem Chips präsentiert, auf denen mit Ionen gerechnet wurde. In dieses Projekt sind insgesamt rund 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler involviert, die in der Quantenforschung und an den erforderlichen Schlüsseltechnologien arbeiten. Beteiligt sind die Leibniz Universität Hannover, die Technische Universität Braunschweig sowie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. In diesem Zusammenhang konnten gemeinsam mit Partnern aus der Industrie bisher mehr als 170 Millionen Euro an Fördergeldern für Quantentechnologie-Projekte eingeworben werden. In den nächsten 10 Jahren sollen bis zu 1,5 Milliarden Euro in das Zukunftsfeld der Quantentechnologien allein in der Region Hannover-Braunschweig fließen. Damit sich die Forschungsstärke der Region Hannover-Braunschweig auch in industrieller Wertschöpfung niederschlägt, braucht es erfolgreichen Technologie-Transfer. QVLS hat dafür gleich zwei Erfolgsmodelle auf die Beine gestellt, die auch auf der HANNOVER MESSE Thema sein werden.

Förderung für Quantentechnologie-Startups

Jüngst eröffnete der Hightech-Inkubator QVLS-HTI Niedersachsens neuen Standort für Quantentechnologie-Transfer in den ehemaligen Rolleiwerken in Braunschweig. Hier bekommen Quantentechnologie-Startups Förderung sowie Büro- und Laborfläche, um ihre Geschäftsmodelle aufzubauen. Auf der HANNOVER MESSE 2024 präsentieren Startups des QVLS-HTI erstmals ihre Produktentwicklungen und Visionen.

Effizientes Technologie-Matchmaking

In den QVLS-iLabs wiederum bringt QVLS Akteure aus Wissenschaft und Industrie zum Technologie-Matchmaking zusammen und schafft anschließend die Bedingungen, innovative Produktentwicklungen gemeinsam umzusetzen. Die HANNOVER MESSE 2024 soll der Vorbereitung des nächsten Matchmaking-Workshops dienen.

Science Center phaeno präsentiert Augmented-Reality-Exponat

Für ein wachsendes Quantentechnologie-Ökosystem braucht es darüber hinaus, wie in so vielen Bereichen, ausgebildete Fachkräfte. Der QVLS engagiert sich auf allen Stufen des Bildungssystems, um das Know-how der Quantenwelt aus der Physik in die Breite zu vermitteln. So wird auf der HANNOVER MESSE 2024 ein interaktives Augmented-Reality-Exponat zum Thema Quantenphysik präsentiert, das zusammen mit dem Science Center phaeno in Wolfsburg entwickelt wurde.

Mannigfaltige Angebote für Quantentechnologie-Weiterbildung

Zusätzlich präsentiert QVLS VR-Anwendungen, die beispielsweise in Schulen oder auch in neu-eingerichteten Masterstudiengängen zu Quantentechnologien in Braunschweig und Hannover zum Einsatz kommen. Zudem ist auf der Messe das Konsortium QTIndu vertreten, wo Quantentechnologie-Weiterbildung für Fach- und Führungskräfte entwickelt und angeboten werden. QVLS ist hier als Netzwerkpartner in der Rolle, um der Kursentwicklung Industriebedarfe zuzuspielen und gleichzeitig die Kurse an passende Partner weiterzuvermitteln.

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