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Mit der wachsenden Anzahl an Elektroautos wächst zwangsläufig auch die Anzahl der entsprechenden Antriebe. Diese werden am Ende ihrer Nutzungsdauer üblicherweise geschreddert und anschließend recycelt, wobei einzelne Komponenten und Baugruppen bisher nicht mehr wiederverwendet werden können. Nachhaltige Werterhaltungsstrategien, um Elektromotoren im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft aufzuarbeiten und wiederzuverwerten, fehlen bislang.

Auf der Suche nach einer perfekten Recycling-Strategie

Elektromotoren enthalten in der Regel neben wertvollen Rohstoffen wie Kupfer auch Seltene-Erden-Metalle wie Neodym, auf die China ein Quasi-Monopol hat und die sich mit aktuellen Recyclingmethoden nicht zurückgewinnen lassen. Hinzu kommt, dass im Vergleich zum Verbrennerantrieb die eingesetzten Rohstoffe mit einer schlechten CO2-Bilanz verbunden sind. Umso wichtiger ist die Verlängerung der Nutzungsphase der Motoren. „Innovative Werterhaltungsstrategien bieten im Sinne der Nachhaltigkeit ein großes Potenzial zur Reduktion von Emissionen“, erklärt Julian Große Erdmann, Wissenschaftler am IPA-Standort in Bayreuth. Gemeinsam mit Schaeffler (Konsortialführer), dem Karlsruher Institut für Technologie KIT, der BRIGHT Testing GmbH, der iFAKT GmbH und der Riebesam GmbH & Co. KG sucht das Projekt REASSERT nach innovativen Methoden, um Elektromotoren aufzuarbeiten und in Fahrzeugen wiederverwenden zu können. Dabei setzen sie auf die Werterhaltungsstrategien Reuse, Repair, Remanufacturing und werkstoffliches Recycling. Diese sind Schlüsselelemente für eine Kreislaufwirtschaft, die es ermöglicht, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu reduzieren und die Abfallmenge zu minimieren. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

Reduktion von Umweltauswirkungen

Derzeit stellt das rohstoffliche Recycling die etablierte Werterhaltungsstrategie dar. Durch manuelles oder automatisiertes Recycling werden insbesondere Kupfer- und Aluminiumanteile zurückgewonnen. Dafür werden die elektrischen Traktionsmotoren ausgebaut, geschreddert, in die einzelnen Materialfraktionen sortiert und eingeschmolzen. Das so recycelte und mit Verschmutzungen behaftete Material kann jedoch nicht mehr für den Einsatz in Motoren genutzt werden, zudem werden einzelne Komponenten und Baugruppen zerstört. Daher sollte Rohstoff-Recycling nur als letzte Möglichkeit des Recyclings gewählt und durch die hochwertigen Werterhaltungsstrategien Reuse, Repair, Remanufacturing und werkstoffliches Recycling ersetzt werden. „Wir wollen ein Closed-Loop-System gestalten, in dem wertvolle Ressourcen wiederverwendet werden, um unabhängiger von Rohstoffimporten zu werden und die Rohstoffgewinnung zu minimieren“, erläutert Große Erdmann. Unter Reuse verstehen die Projektpartner die Wiederverwendung des kompletten Motors in der Zweitnutzung, unter Repair den Austausch von defekten Komponenten und Baugruppen. Beim Remanufacturing werden alle Bauteile ausgebaut, gereinigt, aufgearbeitet und erneut eingesetzt. „Mit diesen Strategien benötigt man weniger Rohstoffe wie Seltene Erden, Kupfer und Co. Allenfalls benötigt man diese noch für Ersatzteile“, erklärt der Forscher. Mit dem werkstofflichen Recycling planen die Projektpartner das sortenreine Demontieren des Motors vor dem Schreddern. Welche Werterhaltungsstrategien jeweils angewendet werden sollen, analysieren die Projektpartner anhand von Referenzmotoren für den Pkw-Bereich.

Aufbau einer Prozesskette von der Eingangs- bis zur End-of-Line-Prüfung

Im Rahmen des Projekts entsteht eine komplette Prozesskette, wobei jede Station einen eigenen Demonstrator beziehungsweise Versuchsstand erhält – von der Eingangsprüfung für die Klassifikation des Motors über die Demontage, Entmagnetisierung, Reinigung, Befundung der Komponenten, Aufarbeitung bis hin zur Remontage und End-of-Line-Prüfung, wo die Funktionsfähigkeit des Motors untersucht wird. „Beispielsweise würde man während dieses Prozesses ein Motorgehäuse mit geringfügigen Verschleißspuren für den erneuten Gebrauch einstufen und gegebenenfalls mit zerspanenden Prozessen aufarbeiten, um die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Abhängig von der gewählten Werterhaltungsstrategie fallen unterschiedliche Prozessschritte und Prozessketten an, der Aufarbeitungsaufwand kann also variieren“, so Große Erdmann. Eine Herausforderung ist beispielsweise die Demontage und Wiederverwendung der in den Motoren verbauten Magnetwerkstoffe. „Ein Rotor mit Permanentmagneten lässt sich aufgrund der Beschichtung der Magnete als auch deren Verklebung selbst im manuellen Demontageprozess nur schwer mittels mechanischer Verfahren in seine Bestandteile zerlegen. Hier gilt es, zerstörungsarme Demontageverfahren zu etablieren.“

KI-Entscheidungstool unterstützt bei der Wahl der Werterhaltungsstrategie

Bei der Wahl der jeweils besten Werterhaltungsstrategie hilft zudem ein im Projekt entwickeltes KI-Entscheidungstool, das Zugriff auf die Produkt- und Prozessdaten eines E-Motors hat, die in einem digitalen Zwilling gespeichert sind. Das im Projekt gesammelte Wissen soll für das Design neuer elektrischer Motoren genutzt werden. Ziel ist es, den Prototyp eines Motors für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, der leicht demontiert werden kann und auf den sich die vier genannten Werterhaltungsstrategien problemlos anwenden lassen.

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