Cobots mit den Muskeln der Vorstellungskraft
Vom 19. bis 25. Oktober war Hangzhou, die wirtschaftsstarke Metropolregion im Osten Chinas, der Hotspot der Roboterwelt. Mehr als 5.000 Forschende und Branchengrößen trafen sich auf der IROS 2025 – der „International Conference on Intelligent Robots and Systems“ – und machten deutlich, dass unsere Vorstellungen vom Kollegen Roboter stets nur eine Momentaufnahme sind.
29. Okt. 2025Teilen
„Staging the Machine: Not Built for Work, Built for Wonder“, lautete die Keynote von Dennis Hong, Professor an der University of California, und sie zeigte wie viele weitere Beiträge, dass wir künftig aus dem Staunen nicht herauskommen werden.
Zu den Highlights in Hangzhou gehörte beispielsweise das Robot Manipulation Eye (AC2) von RoboSense, eine Kamera, die kaum noch als Sensor und eher als sechster Sinn bezeichnet werden kann. Ihre direct-Time-of-Flight-Technik soll millimetergenaue Tiefenbilder liefern, selbst bei starkem Licht und in Bewegung. Die Entwickler des Robot Manipulation Eye sagen, dass es eine „Wahrnehmung wie ein Lebewesen“ ermögliche – und das sei nicht nur Marketing. Das Robot Manipulation Eye soll künftig Greifarme, autonome Fahrzeuge und Serviceroboter befähigen, ihre Umgebung nicht nur zu sehen, sondern wirklich zu verstehen.
Künstliche Intelligenz mit Fingerspitzengefühl
Das Thema „Verstehen“ zeigte sich in zahlreichen Workshops der IROS 2025. Roboter lernen nicht mehr allein Bewegungen, sondern ganze Konzepte – mit multimodalen Lernsystemen und „Human-in-the-Loop“-Trainings – und kombinieren visuelle, sprachliche und haptische Signale, um Aufgaben im industriellen Umfeld wie im echten Leben zu bewältigen. Das Öffnen einer widerspenstigen Medikamentenverpackung ist ebenso wie das Sortieren von Obst nach Reifegrad folglich nicht länger ein menschliches Alleinstellungsmerkmal. Und die mit dieser auf den ersten Blick unspektakulären Erkenntnis verbundenen Potenziale waren das Top-Thema in Hangzhou.
Roboter ohne Ellbogenmentalität
Zu den faszinierenden Entwicklungen, die auf der IROS 2025 vorgestellt wurden, gehört die soziale Navigation. Ein Team von Xiaomi zeigte, dass ein Serviceroboter, der in engen Räumen dem Menschen aus Sicherheitsgründen schlicht aus dem Weg geht, bei weitem nicht so empathisch, ja geradezu höflich wirkt wie ein Modell, dass die Bewegungsabsichten des Menschen zu verstehen versucht. In der Praxis sieht das dann so aus, dass der Roboter kurz innehält und einen kleinen Schlenker vollführt, der Distanz wahrt, ohne abweisend zu wirken. Das System basiert auf RGB-D-Sensoren und einem Modul zur „proaktiven Risikoabschätzung“, wie es die Entwickler nennen. Die Zukunft der Roboterinteraktion ist also vielleicht mehr als effizient, sie könnte auch empathisch sein – oder zumindest so wirken.
Forschung und Praxis rücken zusammen
Als ausgesprochen stabiler Trend zeigte sich auf der IROS 2025, dass die Roboter zunehmend ihre sterilen Testhallen verlassen und sich in der Landwirtschaft, in der Logistik, dem Katastrophenschutz und nicht zuletzt in der Medizin den Aufgaben stellen, die der Mensch ihnen zuweist – und dies geschieht mit stetig steigendem Vertrauen in die Kompetenz der KI-gesteuerten Kollegen, so dass überall smarte Maschinen in reale Umgebungen drängen. Hier beindrucken besonders die medizinischen „Continuum Robots“, deren Körper nicht aus starren Gelenken, sondern aus flexiblen, biegsamen Strukturen bestehen, mit ihren chirurgischen Fähigkeiten.
Roboter mit Selbstheilungskräften
Da solche von biologischen Systemen inspirierte „weiche“ Roboter nicht nur im OP gute Dienste verrichten, aber aufgrund ihrer Struktur anfälliger für Beschädigungen sind, stellte Bram Vanderborght von der Vrije Universiteit Brussel auf der IROS 2025 Roboter mit Selbstheilungsfähigkeiten vor. „Unsere technologischen Fortschritte ermöglichen es diesen Robotern, sich selbst zu reparieren, wodurch ihre Haltbarkeit verbessert und ihre Einsatzdauer deutlich verlängert wird. Diese Innovation erhöht nicht nur die Wiederverwendbarkeit, sondern erlaubt auch Recyclingprozesse und basiert zudem auf biobasierten Materialien – ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit“, stellte Vanderborght mit seiner Keynote fest. „Zu unseren bahnbrechenden Innovationen gehören selbstheilende Greifarme mit integrierten Sensoren, die Schäden nicht nur erkennen, sondern aktiv darauf reagieren können. Derzeit entwickeln wir die Technologie weiter, um daraus ein Deeptech-Spin-off namens Valence Technologies zu gründen – mit dem Ziel, selbstschließende Saugnäpfe sowie selbstheilende Fahrrad- und Autoreifen auf den Markt zu bringen“, so Vanderborght weiter.
Vom semantischen Verständnis zur sicheren Autonomie
Die deutsche Informatikerin und Hochschullehrerin Angela P. Schoellig, Alexander-von-Humboldt-Professorin für Robotik und Künstliche Intelligenz an der Technischen Universität München, stellte mit ihrer Keynote in Hangzhou fest, dass Foundation-Modelle und großskaliges Lernen die Robotik grundlegend verändern. Roboter können heute über Sprache, visuelle Eindrücke und Demonstrationen programmiert werden – anstatt durch mühsam handgeschriebenen Code. Doch dieses neue Paradigma wirft laut Schoellig eine zentrale Frage auf: Wie lässt sich Sicherheit in offenen, dynamischen Umgebungen gewährleisten? Um das zu beantworten, stellte Schoellig aktuelle Arbeiten vor, die semantisches Verständnis und generative Steuerungsstrategien mit sicherheitskritischen Kontrollrahmen kombinieren. Als Beispiele dienten die sichere Navigation in Menschenmengen mithilfe von Diffusionsmodellen und menschlicher Bewegungsvorhersage – ähnlich wie bei den oben erwähnten Servicerobotern von Xiaomi –, die semantische Sicherheitsfilterung bei Manipulationsaufgaben sowie die Schwarmsteuerung über natürlichsprachliche Anweisungen mit eingebauten Schutzmechanismen. „Diese Ergebnisse verdeutlichen sowohl die neuen Chancen als auch die Herausforderungen, die mit dem Einsatz von KI im Internetmaßstab in der Robotik einhergehen“, so Schoellig. Abschließend präsentierte sie eine Roadmap für vertrauenswürdige, skalierbare und sichere autonome Systeme in menschzentrierten Umgebungen.
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