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Seeberg steuert ein Speedboot des Konzerns, das Kunden hilft, Machine Learning zu betreiben – ausgelagert vom Alltagsgeschäft. "Aber wir werden sicher in einigen Monaten nur noch von KI sprechen, denn das klingt nur einfach sexier", lacht Seeberg und wirkt dann etwas ernüchtert. Genaue Definitionen sind ihm wichtig, um richtige Rückschlüsse zu ziehen.

"Daten sind ein neuer Produktionsfaktor – zusätzlich zu Boden, Kapital und Arbeitskraft, deshalb müssen wir uns mit dem Thema Datennutzen beschäftigen."

Die immer schnelleren Prozessoren erleichtern die Arbeit. Immer wieder zitiert Seeberg das Mooresche Gesetz. Er hat viele Jahre bei Intel gearbeitet und durfte Moore selber kennenlernen – nahm eine Auszeichnung aus seinen Händen entgegen. Zur Erinnerung, die These: Die Anzahl der Transistoren pro Fläche-Einheit wird sich alle ein bis zwei Jahre verdoppeln.

"Am Ende sind wir jetzt bei 18 Monaten. Und meine These ist, dass sich die Datenmengen ebenso alle ein bis zwei Jahre verdoppeln werden." Wer sich dessen bewusst ist, kann sich vorstellen, was in naher Zukunft möglich sein wird.

Was wird sich verändern? "In der Vergangenheit haben wir ein Problem oder eine Chance gesehen. Der Entwickler hat dann einen Code geschrieben, der getestet wurde, dann ging der Algorithmus in die Praxis und wurde mit Daten gefüttert und eine Entscheidung dann dem Anwender überlassen." Heute, meint Seeberg, sind wir auf dem Weg, dass die Daten zuerst kommen, die dann "einem allgemeinen Algorithmus übergeben werden und dass dann vom System selbstständige Entscheidungen getroffen werden." Seeberg glaubt daran, dass Übersetzungen in Zukunft noch einfacher werden.

Seeberg glaubt daran, dass Übersetzungen in Zukunft noch einfacher werden. "Ein kleiner Knopf im Ohr und wir verstehen Chinesisch oder Kroatisch." Auch das autonome Fahren profitiert. "Übrigens nicht im Silicon Valley erfunden, sondern vor 25 Jahren in Neubiberg an der Universität der Bundeswehr – 1.500 km sind die Forscher mit einem Mercedes damals gefahren. Dann wurde das Projekt eingestampft. Und jetzt ist es in Silicon Valley wieder aktueller denn je.

Sind die amerikanischen Unternehmen deutschen Firmen voraus? "Glaube ich nicht unbedingt, vielleicht im Marketing." Denn wir dürfen nicht vergessen, viele Machine-Learning-Anwendungen, auch die Sprachsteuerungen, die wir heute kennen, beruhen auf dem Algorithmus LSTM (Long Short Term Memory) – das Langzeit-Kurzzeitgedächtnis ist eine Entwicklung von zwei deutschen Wissenschaftlern aus München. Prof. Dr. Sepp Hochreiter (siehe Gastbeitrag auf Seite 37) und Prof. Jörg Schmidhuber haben intelligente Sprachassistenten wie Siri und Alexa überhaupt erst ermöglicht. Erinnert die Entwicklung nicht an das MP3-Dilemma? "Wir sind spitze, wir sind fähig, was zu leisten. Das muss uns bewusst werden. Im Consumermarkt haben wir es verschlafen. Beim Maschinenbau können wir es der Welt nochmal beweisen."

Und KI vernichtet Jobs? „Jein. KI geht uns alle an! Keine Arbeit wird bleiben, wie sie ist. Umso repetitiver die Arbeitsabläufe, desto tiefgreifender die Änderung. Der Werker in der Industrie wird mithilfe von KI hochwertigere Arbeit ausführen, während die eigent­liche Arbeit des Radiologen vermehrt durch KI übernommen werden wird, weil KI mittlerweile akkurater Diagnosen stellen kann als der Mensch.“ Aber warum hapert es augenscheinlich noch im Maschinenbau? „Machine Learning wird noch nicht von allen verstanden, der Hype verunsichert, aber die Technologie ist nicht sehr kompliziert. Machine Learning basiert auf Statistik, davor braucht niemand Angst haben“, mahnt Seeberg – kein Hexenwerk also? „Wer an der Uni gut in Statistik war, wird seine Freude haben“, lacht er.

Doch Statistik alleine reicht nicht. Es braucht eine Vision für Machine Learning im Unternehmen. "Wir machen das, nicht weil es leicht ist, sondern weil es schwierig ist und weil es in fünf Jahren der einzige Weg sein wird, um erfolgreich zu sein", erklärt Seeberg. Was braucht es dafür? Eine Vision, eine Strategie –

"der Maschinenbauer kann eine Abteilung zum Speedboot ausgliedern und der große Tanker fährt ungerührt erst mal weiter". Dann fehlt es oft an Data-Verständnis – wo sind die Daten, wer ist zuständig? Die Produktion oder die IT? – "Die Zusammenarbeit der Abteilungen muss das Ziel sein."

Nächster Schritt: Hardware. "Grafikprozessoren brauchen Unternehmen für den Start sicher nicht, wir arbeiten mit eher geringen Mengen an Daten und Industrie-PCs. Das funktioniert aber nur, wenn relevante Merkmale, sogenannte Features in den Daten vorhanden sind, dann liegen wir oft im Megabyte-Bereich. Terabyte-Anwendungen sind eher selten.

Das Trainieren der Daten kann auf einem Standard-Notebook stattfinden, die Laufzeit-Modelle verrichten ihre Arbeit auf einem Industrie-PC in der Maschine; nicht anders als ein Gesichtserkennungs-Modell auf einem modernen Handy", berichtet der Münchener. Und das Personal? Das sitzt bei Softing in Rumänien – die Data-Science-Kollegen und die Data-­Engineers, die die Datenqualität sicherstellen und die Modelle entwickeln, denn im Großraum München buhlen Google, BMW, ­Microsoft und Co. um die Datenspezialisten.

Und wie funktioniert dann das "Lernen"? "Open-Source-Anwendungen vor Ort oder in der Cloud bei AWS, Microsoft oder Google." Der letzte Schritt ist dann die Bereitstellung verbunden mit der regelmäßigen Aktualisierung der Modelle – "dann funktioniert Machine Learning und wir können neue Prozesse oder sogar neue Geschäftsmodelle entwickeln." Damit die Umwandlung der Geschäfts- wie Konsumenten-Welt durch KI einigermaßen koordiniert über die Bühne geht, ist es für Seeberg notwendig, dass jeder Arbeitnehmer zumindest eine Stunde mit dem Thema vertraut ­gemacht wird. Diejenigen, die näher am Thema dran sind, werden sich einen ganzen Tag oder eine Woche oder über längere Zeit in Kursen oder Seminaren weiterbilden.