Der Letzte macht das Licht aus – und schaltet die Roboter an
Als Amazon vor wenigen Monaten seinen Logistik-Roboter „Vulcan“ vorstellte, wurde deutlich, dass Roboter nicht nur „Seher“, sondern auch „Taster“ sein können. Vulcan soll im Gegensatz zu vielen bisherigen Robotik-Systemen, die primär auf Bilderkennung, Greifwerkzeuge oder Saugmechanismen setzen, Objekte taktil wahrnehmen, beurteilen und – wenig überraschend – auch greifen.
29. Sept. 2025Teilen
Das ist ein großer Schritt in Richtung vollständig autonomer Materialflüsse, wie sie in Dark-Factory-Szenarien angestrebt werden.
Denn das Herz der Dark Factories, also jener Fabriken, die – zumindest theoretisch – ohne Menschen auskommen und damit auch ohne Licht, ist die Robotik. Wiederholbare, qualitätskritische Arbeitsschritte werden durch Roboter, Sensorik und Software so standardisiert, dass Anlagen 24/7 autonom produzieren, wie in der intelligenten Fabrik von Xiaomi in Changping. Dort überwacht die KI-Plattform HyperIMP jeden Aspekt der Produktion und koordiniert elf robotergesteuerte Fertigungslinien, die alle drei Sekunden ein Smartphone produzieren, ohne dass ein Mensch involviert ist. In der Praxis finden wir heute vor allem sogenannte „lights-sparse“-Setups, bei denen Menschen nur dann eingreifen, wenn Wartung, Rüstprozesse, Audit oder Ausnahmen es erfordern.
Lichtblicke dank der dunklen Seite der Fertigung
Treiber der Entwicklung hin zu den Dark Factories sind zuvorderst der Fachkräftemangel, volatile Nachfragen, steigende Qualitätsanforderungen sowie die immer wichtiger werdende Energie- und Flächeneffizienz. Industrieroboter in Kombination mit Maschinenvision, IIoT-Netzen, KI-Regelungen, Manufacturing Execution Systems (MES) und durchgängigen Digitalen Zwillingen bilden das Rückgrat der Dark Factories.
Roboter sorgen für ihren eigenen Nachwuchs
Ein sehr prominentes, oft zitiertes Vorbild ist FANUC in Japan: Dort sorgen Roboter für ihren eigenen Nachwuchs, also Roboter bauen Roboter. Der Betrieb kann über lange Zeit ohne Personal laufen – die Betreiber sprechen von bis zu 30 Tagen am Stück. Das gelingt durch hochstandardisierte Prozesse, Vorhersagewartung und kontrollierte Umgebungen, dem Menschen obliegt in dieser Umgebung im Regelfall lediglich die regelmäßige Inspektion der Anlage.
Personal wird neu positioniert
Philips hat im niederländischen Drachten bereits vor vielen Jahren eine weitgehend dunkle Fertigungslinie für Elektrorasierer aufgebaut: mehr als 120 Industrieroboter, darunter SCARA und 6-Achser, erledigen Montage und Inspektion, während ein kleines QA-Team Endkontrollen durchführt. „Dark“ muss also nicht zwingend „ohne Menschen“ heißen, sondern es bedeutet oft, dass Personal neu positioniert wird – in Qualität, Prozessdesign und Anlagenpflege.
Schiffbau als eine der anspruchsvollsten Industrieumgebungen der Welt
Ein Pionier im Bereich kognitiver Robotik aus Deutschland ist das Metzinger Unternehmen NEURA Robotics. Im Sommer dieses Jahres gingen die Schwaben eine strategische Partnerschaft mit HD Hyundai Samho und HD Hyundai Robotics ein, um gemeinsam spezielle vierbeinige sowie humanoide Schweißroboter für den Einsatz in der Schiffbauindustrie zu entwickeln und zu erproben. Die Kooperation ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu weiterer Automatisierung und neuen Robotik-Innovationen im Schiffbau. „Mit der strategischen Partnerschaft können wir erneut zeigen, wie vielfältig einsetzbar kognitive Roboter sind – und das in einer der anspruchsvollsten Industrieumgebungen der Welt“, erklärt David Reger, Gründer und CEO von NEURA Robotics. „Gemeinsam mit Hyundai schaffen wir die Grundlage für eine für völlig neue Wege der intelligenten Automatisierung.”
Digital Lighthouse ist smart statt dark
In Deutschlands industrieller Realität gilt aktuell smart statt dark, so koppeln beispielsweise bei Siemens in Erlangen Digitale Zwillinge Produkte, Linien und Logistik. Simulationen und KI-Anwendungen verbessern in Bayern die Taktzeiten, das Line-Balancing und den Energieeinsatz so effizient, dass die Fabrik in Erlangen als „Digital Lighthouse“ ausgezeichnet wurde. Denn sie reduziert Anläufe, steigert Variantenflexibilität und hebt die Overall Equipment Effectiveness (OEE) also die Gesamtanlageneffektivität, ohne den Menschen aus zahlreichen Gliedern der Wertschöpfungskette zu entfernen.
Produktionsbedingungen stabil halten und gleichzeitig Energiebedarf senken
Richtig finster geht es auch nicht bei Tesla zu: Im firmeneigenen Impact-Report 2023/24 meldet das Unternehmen, dass in der Gigafactory Nevada inzwischen der Großteil der HVAC-Infrastruktur KI-basiert gesteuert wird – mit dem Ziel, Produktionsbedingungen stabil zu halten und gleichzeitig den Energiebedarf zu senken. Damit nehmen die US-Amerikaner einen Schlüsselaspekt ins Visier, denn Energie ist einer der größten Kosten- und CO2-Hebel der Automobilfertigung.
Herausfordernd bleiben hochvariantenreiche Kleinserien
Besonders herausfordernd bleiben hochvariantenreiche, kleine Serien – Stichwort: „High-Mix/Low-Volume“ –, denn hier lohnt sich laut der meisten Experten der sogenannte Dunkelbetrieb nur mit modularem Anlagen- und Software-Design. Die Best-in-Class-Beispiele setzen in der Regel auf eine stufenweise Automatisierung, digitale Zwillinge, eine KI-gestützte Prozessregelung und ein Upskilling der Mitarbeitenden. Somit machen vollständig dunkle Fabriken aktuell nur in der Fertigung hochstandardisierter Produkte Sinn. Perspektivisch dient die Dark Factory wohl vor allem als dunkler Hintergrund, der die leuchtenden Beispiele gelungener Mensch-Maschinen-Interaktionen besonders gut zur Geltung bringt.
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