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Mateligent, eine Ausgründung des Fachbereichs „Intelligentes Material“ (iMSL) der Universität Saarland, hat sich vorgenommen, die Lücke zwischen Forschung und Markt durch die Entwicklung kundenspezifischer mechatronischer Systeme auf Basis von Formgedächtnislegierungen (FGL) und Dielektrischen Elastomeren (DE) zu schließen. Das jetzt auf der HANNOVER MESSE 2023 vorgestellte Kühlverfahren der „Elastokalorik“ wurde bereits von der EU-Kommission und dem Energieministerium der Vereinigten Staaten als zukunftsträchtigste Alternative zu gegenwärtigen Kompressions-Kältemaschinen deklariert. Was nicht weiter verwundert, wenn man die Einschätzung von Stefan Seelecke, Professor für Intelligente Materialsysteme an der Universität des Saarlandes, hört: „Unser Verfahren kommt ganz ohne klimaschädliche Kältemittel aus und hat eine signifikant hohe Energieeffizienz: Es ist weit effizienter als heute übliche Klimatechniken und bis zu fünfzehnmal effizienter als herkömmliche Kältemittel“.

Entspannung führt zur Abkühlung

Entwickelt wurde der weltweit erste kontinuierlich laufende Kühldemonstrator, der Luft mit dem neuen Verfahren kühlt, über viele Jahre an der Universität des Saarlandes. Das in Hannover gezeigte Exponat kühlt mit „künstlichen Muskeln“, sogenannten Formgedächtnis-Drähten der Legierung Nickel-Titan, Nitinol genannt. Diese Drähte haben die besondere Eigenschaft, ihre alte Form wieder anzunehmen, wenn sie verformt oder gezogen werden: Sie spannen also ähnlich wie Muskeln an und entspannen wieder. Der Grund hierfür liegt tief im Inneren des Metalls verborgen: Seine Atome sitzen in einem Kristallgitter. Wird der Draht verformt oder gezogen, verschieben sich die Atom-Lagen und es kommt im Gitter Spannung auf. Diese Spannungen lösen sich, wenn der Draht anschließend wieder seine alte Form annimmt. Bei diesen Vorgängen – die Forscher sprechen von Phasenumwandlungen – nehmen die Drähte Wärme auf und geben sie wieder ab. Diesen Effekt nutzen Seelecke und sein Team bei ihrer Kühlmaschine: „Das Formgedächtnismaterial gibt Wärme ab, wenn es im sogenannten superelastischen Zustand gezogen wird, und nimmt Wärme auf, wenn es entlastet wird. Bei Nitinol ist dieser Effekt besonders stark: Wenn zuvor gespannte Drähte bei Raumtemperatur entlastet werden, kühlen sie sich um bis zu etwa 20 Grad unter dem Umgebungsniveau ab“, so Seelecke.

Eine einfache Grundidee…

„Wir nutzen diese Eigenschaften, um Wärme abzutransportieren“, erklärt Susanne-Marie Kirsch, die die Kühlmaschine in ihrer Doktorarbeit mitentwickelt hat. „Die Grundidee ist, vorgedehnte, superelastische Formgedächtnis-Drähte in einen Raum zu bringen, wo sie sich entlasten, dabei stark abkühlen und hierbei dem Raum Wärme entziehen“, erklärt die Ingenieurin. Außerhalb des Raumes belasten die Wissenschaftler die Drähte erneut, wobei die Wärme dort an die Umgebung abgegeben wird.

...und ihre komplexe Umsetzung

In der Saarbrücker Kühlmaschine ist die Sache freilich um einiges komplizierter: In einem Kühlkreislauf sorgt ein speziell konstruierter, zum Patent angemeldeter Nockenantrieb dafür, dass während der Rotation fortwährend Bündel aus 200 Mikrometer dicken Nitinol-Drähten gezogen und entlastet werden. In zwei separaten Kammern wird Luft durch die Bündel geblasen, die in der einen Kammer erwärmt und in der anderen gekühlt wird. Dadurch kann die Maschine kühlen, aber auch heizen. „Beim Belasten findet eine ebenso große Erwärmung von etwa 20 Grad statt, so dass der Prozess auch als Wärmepumpe eingesetzt werden kann“, erklärt Felix Welsch, der im Rahmen seiner Doktorarbeit ebenfalls am Prototyp mitgearbeitet hat. Je nach Legierung könne die neue Kühltechnik bis zu dreißig Mal mehr Wärme- oder Kühlleistung abgeben als sie mechanische Leistung beim Ziehen und Loslassen benötigt. Damit sei das System erheblich besser als derzeitige Wärmepumpen und herkömmliche Kühlschränke.

Ansätze zur Optimierung

Derzeit arbeiten die Saarbrücker Ingenieurinnen und Ingenieure in mehreren Projekten daran, die Wärmeübertragung der Maschine weiter zu optimieren, um ihre Effizienz noch weiter zu steigern: Die gesamte Energie aus den Phasenumwandlungen soll ohne Verluste vollständig dem Kühlen oder Heizen zugutekommen.

Alternatives Klimatisierungssystem für die Elektromobilität

Neuestes Ziel von Seeleckes Team ist es, die elastokalorische Technologie für die Kühlung in Elektrofahrzeugen weiterzuentwickeln. Hierzu arbeitet es seit Januar 2022 mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Dieses vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Verbundprojekt namens „NEKKA – Entwicklung eines neuartigen elastokalorischen Klimasystems“ hat einen Gesamtumfang von sechs Millionen Euro. Das Teilvorhaben von Seeleckes Team wird mit rund einer Million Euro gefördert. „Ziel ist es, ein alternatives Klimatisierungssystem für Fahrzeuge aller Fahrzeugklassen zu entwickeln, zu simulieren und zu validieren: Es soll kontinuierlich Wärme und Kälte zur Verfügung stellen und zugleich effizienter, umweltverträglicher und nachhaltiger als bisherige Verfahren sein. Außerdem soll unsere Technik im Vergleich kleiner, leichter und kostengünstiger sein“, erläutert Ingenieur Paul Motzki, ebenfalls Forscher in Seeleckes Team.

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