Ein Mann für den Wandel
In Berlin geboren, in Berlin den Wandel eingeleitet: Dietmar Harting feierte im September seinen 80. Geburtstag. Der Unternehmer aus Ostwestfalen gilt vielen als Vordenker für die Automatisierungsbranche.
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In der Hochphase der Industrie 4.0-Diskussionen fassten er und seine Familie einen Entschluss. Ein neues Geschäftsmodell, mit neuen Mitarbeitenden, neuen Ideen und einem neuen Standort in Berlin muss her – ein mutiger Schritt. IT-Experten aus dem Silicon Valley kamen nach Berlin und ein Open-Computing-Ansatz war das Ergebnis. Mica heißt das Produkt. Es soll Vernetzung in der Fabrik einfacher, verständlicher, günstiger machen. Mica ist der schnelle Einstieg in die Faszination Fabrik der Zukunft, heißt es bei Harting. Das Produkt wird immer weiterentwickelt, inklusive Anwender-Community 2016 erhielt das ostwestfälische Unternehmen für die Technologie den begehrten Hermes Award. Die Auszeichnung feierte Dietmar Harting zusammen mit den Mitarbeitenden und mit Barack Obama, der den Stand des Familienunternehmens auf der HANNOVER MESSE besuchte. Es entstanden Bilder, die um die Welt gingen.
An eine Karriere im elterlichen High-Tech-Unternehmen hatte Harting anfänglich gar nicht gedacht. Geschichte und Archäologie faszinierten den ältesten Sohn von Wilhelm und Marie Harting weit mehr als Wirtschaft und Technik. Doch der Vater durchkreuzte alle Pläne. Dietmar Harting musste sich zunächst für Elektrotechnik entscheiden, beendete sein Studium aber schließlich als Diplom-Kaufmann, nachdem sich sein zwei Jahre jüngerer Bruder Jürgen in Richtung Technik orientiert hatte. 1967, fünf Jahre nach dem frühen Tod des Firmengründers, trat der damals 27-Jährige in das Familienunternehmen ein, das seinerzeit mit knapp 1.000 Mitarbeitenden einen Umsatz von rund 29 Mio. D-Mark erzielte. Zunächst gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder (er starb 1973), dann ab 1987 mit Ehefrau Margrit, leitete Harting das aufstrebende Unternehmen. Es wurde eine Epoche des steten Wandels, großer Entscheidungen und einer beeindruckenden Entwicklung. Nach dem Abschied von den Produkten der ersten Dekaden wie Waffeleisen, Kochplatten und Sparlampen, Medizingeräten und Autoelektrik, Plattenspielern und Phonokoffern, konzentrierte sich Harting auf die Verbindungstechnik. Mit dem bereits 1956 patentierten Han hatte das Unternehmen einen bis heute gültigen Standard gesetzt. Neben den Industriesteckverbindern erreichte das Unternehmen eine Spitzenposition auch als Hersteller von Zigarettenautomaten für den Innen- und Außenbereich.
Von großer Bedeutung war die 1979 mit der Eröffnung einer Tochtergesellschaft in Paris eingeleitete Internationalisierung. "Ich war unsicher und hatte Zweifel", bekannte Harting später. Doch der strategische Mut wurde belohnt und war ausschlaggebend für die Eroberung wichtiger Märkte und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder. In rascher Folge wurden Vertriebsbüros in Europa, Amerika und Asien eröffnet, entstanden erste Produktionsstätten in der Schweiz und Großbritannien. Der Auslandsanteil am Umsatz verdoppelte sich von 30 Prozent (1981) auf fast 60 Prozent 1999 und erreichte rund 70 Prozent im Geschäftsjahr 2017/2018.
Für sein herausragendes Engagement als Unternehmer, Förderer von Wissenschaft und Technik, in Verbänden und Organisationen wurde Harting 2009 mit der Ehrendoktorwürde der Leibniz Universität Hannover ausgezeichnet. Sein langjähriges Wirken bei der Deutschen Messe AG, u.a. 12 Jahre als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, wurde 2008 mit der goldenen Messe-Ehrenmedaille gewürdigt. Seit dem Beginn der HANNOVER MESSE 1947 zählt das Unternehmen ununterbrochen zu den Ausstellern der Industrieschau.
Erneuerbare Energien
2015 übernahm mit Sohn Philip, dem Enkel des Firmengründers, die dritte Generation den Vorsitz des Vorstandes, dem außerdem seine Eltern, seine Schwester Maresa Harting-Hertz und drei familienfremde Manager angehören. Harting konnte seinem Nachfolger ein imponierendes Werk übergeben. Das Unternehmen ist weltweit führender Anbieter von industrieller Verbindungstechnik, Wegbereiter und Partner von Industrie 4.0 und zählt mit seinen innovativen Produkten, maßgeschneiderten Lösungen und Services vor allem in den Bereichen Automation, Robotik, Transportation, der Digitalisierung und Vernetzung von Maschinen mit der Cloud zu den Besten der Branche. In der E-Mobilität ist das Unternehmen mit seinem Ladetechnik-Portfolio Zulieferer wichtiger Automobilhersteller, unterstützt durch seine Angebote und Leistungen für Windenergieanlagen die Energiewende und hat sich mit der Herstellung von Kassenzonen im Einzelhandel positioniert.
Seit vielen Jahren arbeitet Dietmar Harting an der Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie. Sei es, dass die Harting Technologiegruppe konsequent auf die Energiewende setzt, Gründungsmitglied des Vereins der Klimaschutz Unternehmen ist oder dass sie zu 100 Prozent CO2-freie Energie in der Produktion einsetzt. Davon stammen allein 25 Prozent mittels einer Biomethangasanlage in Uchte aus eigener Erzeugung. Sein Credo: "Wir wollen die Zukunft mit Technologien für Menschen gestalten." So ist er nicht nur Startup-Unternehmer einer Software-Schmiede in Berlin, sondern widmet sich auf seinem Hof mit Leidenschaft der nachhaltigen Landwirtschaft und regenerativen Energiegewinnung.
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