Ich sehe was, was du nicht siehst
Ist Augmented Reality nur eine Spielerei? Oder lässt sich die virtuelle Realität gewinnbringend in der Industrie einsetzen?
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Manchmal sind es banale Dinge, die einer Technologie zu ungeahnten Höhenflügen verhelfen. So fristete das Thema Augmented Reality bis vor wenigen Monaten eher ein Schattendasein. Dem Smartphone-Spiel "Pokémon Go" ist es zu verdanken, dass die virtuelle Realität plötzlich in aller Munde ist.
Zwar ist das Fangen von kleinen Monstern mittels virtueller Bälle nicht unbedingt die beste oder cleverste Möglichkeit, diese Technologie einzusetzen – gewinnbringend ist sie aber allemal: Etwa 200 US-Dollar verdient der Hersteller Nintendo mit der App – pro Sekunde!
Unterschätztes Potenzial
Vor knapp zehn Jahren bescherte Virtual Reality bereits einem anderen Unternehmen kurzzeitig Ruhm und Ehre: Mit der virtuellen Welt "Second Life" zog Linden Labs in den USA User, Marken und Unternehmen in seinen Bann, bis es nach kürzester Zeit wieder in der Versenkung verschwand. Also ist die virtuelle Realität eine Luftnummer? Mitnichten, sagt der Verband der Internetwirtschaft Eco. Stattdessen sei das Anwendungs- und Marktpotenzial von Augmented Reality (AR) auf breiter Basis völlig unterschätzt. "Die Anreicherung der Wahrnehmung der realen Welt durch Zusatzinformationen wird sich als ein Megatrend entpuppen", prognostiziert Dr. Bettina Horster , Direktorin Mobile im Eco-Verband. "Mit der Industrie 4.0 hält auch die Augmented Reality Einzug in die industrielle Fertigung."
Tatsächlich haben verschiedene Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IFF , VRVis oder die TU München in Fachrichtungen wie Medizin, Maschinenbau und Informatik innovative Lösungen entwickelt. Der " Elbedom " etwa ist ein Mixed-Reality-Labor, in dem sich große Objekte wie Maschinen, Anlagen, Fabriken oder ganze Städten im Maßstab 1:1 visualisieren lassen. Gleich mehrere Anwender können so im virtuellen Raum Anlagen- und Fabriklayouts konzeptionieren oder Städte planen, ohne dabei spezielle Brillen oder ähnliches zu tragen. Stattdessen sorgen Laserprojektoren für die Verbindung von Realität und virtueller Welt.
Eine Frage der Betrachtungsweise
Dabei verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Augmented Reality, Mixed Reality und Substitutional Reality. Vereinfacht ausgedrückt, beschreiben alle Begriffe dasselbe: die Integration von computergenerierten Datenmodellen in unsere Wahrnehmung. Die Unterschiede liegen in der Betrachtungsweise. Mixed Reality beschreibt die Kombination aus realer und virtueller Welt, etwa wenn reale Personen in virtuellen Umgebungen erscheinen. Die Augmented Reality dreht den Spieß um: Virtuelle Informationen, Animationen oder Grafiken werden in reale Szenen eingeblendet – wie bei Pokémon Go. Substitutional Reality schließlich sind reale Einblendungen, die mit virtuellen Szenen kombiniert werden. Für den User ist die Illusion in diesem Fall perfekt: Er kann im besten Fall nicht mehr zwischen echter und virtueller Welt unterscheiden.
Für die Industrie bedeutet die rasante Entwicklung der Technologien und vor allem der zugrundeliegenden Datenerfassungsmöglichkeiten, sprich: Kameras, schier unendliche Möglichkeiten. Branchenübergreifend haben sich für Virtual Reality mehrere Einsatzbereiche etabliert: Ausbildung, Planung und Präsentation. Vor allem wenn es um die Nachbildung sehr teurer, schwer verfügbarer oder gefährlicher Umgebungen geht, ist die virtuelle Realität in vielen Fällen eine kostengünstige Alternative – das betrifft ein Airbus-Cockpit ebenso wie eine Ölfördermaschine, ein Kraftwerk oder einen Operationssaal. Augmented Reality, also die Kombination echter Wahrnehmung mit virtuellen Daten, steht dabei noch am Anfang.
Die virtuelle Realität macht die echte Realität effizienter
Eine gewinnbringend Kombination aus Virtualität und echter Wahrnehmung verspricht beispielsweise die Lösung "Insight Live" des Anbieters Bosch Rexroth. Im Einsatz ist das System etwa beim Schwerlastantriebsbauer Hägglund, dessen Produkte weltweit arbeiten. Hat nun ein Kunde ein Problem mit einem Antrieb, können seine Techniker direkt vor Ort den Hägglund-Support kontaktieren. Über die Tablet-Kamera sieht der Produktexperte alles, was live geschieht. Im Gegenzug kann der Spezialist seine Hände, Werkzeuge, Dokumente oder Diagramme im Display der Techniker einblenden. So sehen die Techniker an der Maschine sofort, was zu tun ist und können eine Diagnose oder Reparatur durchführen.
Aber nicht nur in der Produktion, auch in der Logistik kommt Augmented Reality zukünftig eine wichtige Rolle zu. Statt wie bisher in unterschiedlichen Medien zu arbeiten – etwa auf Papier und mittels Scanner – verbinden Datenbrillen die Wahrnehmung mit elektronischen Informationen. "Der Gabelstaplerfahrer sieht im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor seinen Augen, was er genau wo abholen und wohin fahren soll", gibt Dr. Bettina Horster vom Verband eco ein Beispiel. " Vision Picking " nennt dementsprechend auch DHL ein Projekt, bei dem Lagermitarbeiter gänzlich auf Listen und Werkzeuge verzichten können. Ins Sichtfeld werden relevante Informationen eingeblendet, etwa Lagerplatz und Position auf dem Kommissionierwagen, Strich- und QR-Codes erfasst der Mitarbeiter einfach mit Hilfe der Scanner, die in die Brille integriert sind.
Den großflächigen Einsatz der virtuellen Technologie behindern allerdings noch sehr reale Herausforderungen: kurze Akkulaufzeiten, hohe Investitionskosten oder unzureichende Netzwerkverfügbarkeit, um nur einige zu nennen. Übrigens sind das exakt dieselben Probleme, vor denen so mancher Pokémon-Go-Spieler kapituliert.
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