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Er und sein Team arbeiten am Strukturwandel in der Region, an der Energiewende – mit Künstlicher Intelligenz. „Wir wollen, dass sich Energieerzeugungsanlagen autonom überwachen, entstehende Schäden erkennen, in kritischen Fällen Betriebsregimes fahren und Folgeschäden beispielsweise im Getriebe ausschließen. Kurz: Wir wollen Anlagen dazu bringen, selber zu entscheiden, wie sie auf einen drohenden Schaden reagieren.“

Gasturbinen, Wasserturbinen oder Windkraftturbinen überwacht das Unternehmen mit Künstlicher Intelligenz – „alles, was mechanisch angetrieben wird“, ergänzt Schulz. „Trotz ausgefeilter Sensorik können wir heute ohne KI nicht viele Rückschlüsse ziehen, denn wir sammeln so viele Messdaten, die ein Mensch nie analysieren könnte“, erklärt Schulz. 600.000 Messdaten pro Sensor und Minute können in einer Windkraftanlage entstehen, rechnet der Gründer vor. Schalldaten beispielsweise werden dezentral über den Feldbus oder die SPS gesammelt und aggregiert – je nach Fragestellung in Zeitzyklen von einigen Sekunden bis hin zu mehreren Stunden. Diese Daten überträgt die Maschine an einen Server der IM&P. Ein genetischer Algorithmus als schwache KI strukturiert rekursive neuronale Netze, die dann die Daten mit Schadensbildern abgleichen oder ­Schwellwertüberschreitungen melden. Das ist nicht ganz so einfach, denn es müssen viele ingenieurtechnische Details des gesamten Triebstranges der Windenergieanlage, die Kopplung an den – in Mitteleuropa typischerweise zeitlich stark fluktuierenden – Wind, die Kopplung an das Stromnetz und die Prozessführung berücksichtigt werden, um die teilweise starken Schwankungen in den Messdaten zu kompensieren.

„Wir haben oft keinen idealen Schadensfall“, berichtet Schulz. „Auch die Summe kleiner Schäden kann Stillstand bedeuten und diese kleinen Schäden werden oft durch Menschen übersehen. Schon die Dynamik nichtlinearer mechanischer Dreikörperprobleme weist in der Regel immer auch chaotische Elemente auf“, erklärt Schulz und grinst dabei. An sich müsste die Bewegung aller Freiheitsgrade einer Maschine sensorisch verfolgt werden, was sich schon aus wirtschaftlichen Gründen verbietet. Es kommt also darauf an, die durch die gegenseitige Wechselwirkung der einzelnen Bauteile an wenigen Messpunkten entstehenden physikalischen Signale ihrem Ursprung zuzuordnen. Diese Aufgabe mit KI-Methoden zu realisieren, erfordert vor allem auch Wissen um die Maschine und die Mechanik. „Einfach eine KI über Maschinendaten laufen zu lassen ist medialer Hype. Es braucht mehr als „Licht an“- oder „Licht aus“-Befehle in der Industrie“, kritisiert Schulz die öffentliche KI-Diskussion. „Der Befehl „Maschine, lauf mal wieder synchron“ ist um ein vielfaches schwieriger als das, was wir beispielsweise auf den Smartphones erleben.“

Zurück zur Windkraftanlage: Die neuronalen Netze lernen mit jedem Schaden oder jeder Schwellwertüberschreitung dazu, arbeiten mit historischen Daten, aber auch mit Referenzdaten von anderen Windkraftanlagen im Energiepark. Heute fährt bei einem Schaden oder einer Wertabweichung noch ein Wartungsteam zur Windkraftanlagen raus.

„Trotz ausgefeilter Sensorik ­können wir heute ohne KI nicht viele Rückschlüsse ziehen, denn wir sammeln so viele Messdaten, die ein Mensch nie analysieren könnte.“

„Das kostet viel zu viel Geld. Wir wollen, dass die Maschine selber Entscheidungen trifft, bevor der Schaden sie lahmlegt.“ Schulz rechnet vor: Eine drei Megawattanlage verursacht jährliche Betriebs- und Wartungskosten in der Größenordnung von 100.000 Euro. Ein großer Anteil davon entsteht durch Ausfall und Verschleiß. Zwei Drittel davon sind wiederum Folgen scheinbar unbedeutender Primärschäden, die bisher nicht erkannt werden können. „Der Betreiber kann so in zwei Jahren 25.000 Euro pro Anlage sparen. Rechnen Sie das mal auf einen Windpark hoch. Stillstandszeiten noch nicht mitgerechnet.“

Die Energiebranche vertraut Schulz´ Algorithmen. In Halle an der Saale verarbeiten die Server Daten aus Finnland, Dänemark, Südafrika oder der Türkei. „Die gesamte Energiebranche investiert in KI, momentan vor allem in schwache KI, um Prozesse zu überwachen“, berichtet Schulz, der mit seinen Algorithmen übrigens auch Fernwärmenetze optimal steuern kann. „Das ist aber eine andere Geschichte.“