Aussteller & Produkte
Events & Speakers

Bundesminister Peter Altmaier merkte vor einem Jahr an, dass der Leichtbau in Kombination mit Antrieben der Zukunft ein Gamechanger ist. Nennen Sie uns bitte ein paar markante Beispiele dafür.

Lassen Sie mich zunächst noch einmal grundsätzlich klarstellen, dass der Leichtbau zu den Game­Changer­Technologien zählt, weil sein Einfluss auf die produzierenden Wertschöpfungsketten erheblich ist. Das beginnt bei den eingesetzten Rohstoffen, den daraus resultierenden Werkstoffen, reicht über die Produktionsprozesse einschließlich der Weiterverarbeitungstechnologien, wie zum Beispiel der Fügetechnik, hinaus, und endet im fertigen Produkt. Letzteres soll dann möglichst wiederverwendbar oder zumindest recycelbar sein.

Darüber hinaus ermöglicht die Gewichtsreduzierung durch Leichtbau, dass Energie- und Rohstoffbedarf sowie Emissionen reduziert werden. Damit wirkt der Leichtbau von zwei Seiten auf die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Und das ist nicht nur auf den Mobilitätssektor beschränkt. Der Leichtbau wird auch in anderen Branchen zu Systemwechseln bezüglich des Materialeinsatzes, der Nutzungsdauer aber auch der End-of-Life-Phase führen.

Doch speziell im Mobilitätsbereich wird der Konzeptleichtbau bei alternativen Antriebstechnologien einen erheblichen Beitrag zur Transformation des Sektors leisten. Konzeptleichtbau bedeutet eine Bauweise, die zunächst die Nutzungsphase des Produktes betrachtet und analysiert, welche Funktionen für die Nutzung tatsächlich nötig sind und welche Funktionen nicht genutzt werden und damit überflüssig sind. Das Weglassen solcher Funktionen kann bis zu 100 Prozent Gewichtseinsparung bedeuten. Diese Art der Herangehensweise bedeutet letztendlich, dass weniger Funktion auch ein Mehr für alle sen kann. Ich finde diesen Ansatz sehr interessant, weil er sich von dem Grundsatz verabschiedet, dass immer neue Funktionen entwickelt werden müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Vielmehr müssen bestehende Funktionen, wie zum Beispiel die Menge der transportierbaren Nutzlast oder die Reichweite, erheblich verbessert werden. Konzeptleichtbau bedeutet dabei die Fokussierung auf das Wesentliche, um Kosten einzusparen und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Weitere innovative und wegweisende Beispiele werden auch die Projekte des neuen Technologietransfer-Programms Leichtbau (TTP LB) aufzeigen.

Alles in allem gilt der Leichtbau als Ressourcenschoner und Klimaschützer. Sagen Sie uns bitte etwas dazu, wie das genau zu verstehen ist, welche Aspekte und Ressourcen das betrifft sowie zum Einsparpotenzial und dem zu erwartenden positiven Effekt für die Klimaziele.

Diese Frage ist zunächst einfach zu beantworten. Überall dort, wo Massen bewegt werden, kommt Energie zum Einsatz. Wird weniger Masse bewegt, muss weniger Energie aufgewendet werden. Wird weniger Masse verbaut, werden weniger Ressourcen in Anspruch genommen. Das ist eigentlich das Grundprinzip des Leichtbaus. Unter dem Strich bedeutet Leichtbau damit vor allem eine erhebliche Einsparung an CO2 während der Nutzungsdauer.

Aber ganz so einfach lässt sich der Leichtbau dann doch nicht erklären. Es muss dabei viel mehr der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden. Und dabei möglichst nicht von der Wiege bis zur Bahre, sondern von der Wiege bis zur neuen Wiege. Es wird darauf ankommen, dass Leichtbaumaterialien und -bauteile in der Gesamtheit punkten können. Auch dabei wird das Technologietransfer-Programm Leichtbau unterstützen. Mit dem Programm sollen unter anderem gezielt Recyclingprojekte, neue Konstruktionstechniken und neue Materialien gefördert werden, um so etwa die Leichtbaupotenziale zur Treibhausgasminderung und Ressourcenschonung noch besser heben zu können. Wichtig ist mir, dass bei der Konstruktion schon an das Recycling gedacht wird.

Sehen Sie eher im auf Metall basierten Leichtbau, also mit Aluminium, Magnesium und hochfesten Stählen, oder eher im Kunststoffsektor die effektivsten Erfüllungsgehilfen für die gesteckten Ziele?

Das größte Erfolgspotenzial besteht immer dann, wenn der richtige Werkstoff jeweils am richtigen Einsatzort in der dafür optimalen Anwendung eingesetzt wird. Das können Multimaterialien aus Metall und Kunststoff, aber auch Faserverbundkunststoffe oder homogene Materialien sein, die allein eingesetzt werden. Darüber hinaus lassen sich mit konstruktiven Techniken, dem konzeptionellen Leichtbau und durch Simulationsverfahren erhebliche Ressourcen- und Kosteneinsparungen erzielen. Der Wettbewerb der Materialien hat dazu geführt, dass sowohl der metallbasierte als auch der kunststoffbasierte Leichtbau erhebliche Fortschritte gemacht haben. Wir brauchen alle Materialklassen, um zukünftig erfolgreich zu sein. Zu kurz kommt mir dabei die Bioökonomie. Denn wenn es heute bereits Beispiele gibt, wie man mit Schalen von Kaffeebohnen Scheinwerfergehäuse für Autos leichter macht, zeigt das doch, wie viel Potenzial das Thema beinhaltet.

Deshalb ist es mir besonders wichtig, dass die Initiative Leichtbau des BMWi material- und branchenübergreifend agiert. Nur so können alle Akteure auf diesem Weg mitgenommen und ein gewinnbringender Technologietransfer zwischen den einzelnen Leichtbaudisziplinen und –materialien unterstützt werden.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung beinhaltet die Förderung des Leichtbaus. Was heißt das genau für Unternehmen, die sich dabei engagieren ?

Das Technologietransfer-Programm Leichtbau (TTP LB) des Bundeswirtschaftsministeriums ist jetzt an den Start gegangen. Es werden dabei in den kommenden 10 Jahren rund 300 Mio. Euro für die Förderung von konkreten Leichtbauprojekten zur Verfügung gestellt. So soll der Leichtbau in die breite industrielle Anwendung getragen, dadurch Innovations- und Wertschöpfungspotenziale gehoben, und ein Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele geleistet werden.

Mit dem TTP LB gehen wir zum einen in die Förderung von Projekten der Technologieentwicklung mit drei Schwerpunkten: Digitalisierung und Automatisierung, Nachhaltigkeit und Recycling sowie innovative Konstruktionsprinzipien. Zum anderen fördern wir auch Leichtbauprojekte, die durch Ressourceneffizienz und –substitution und durch den Einsatz neuer Konstruktionstechniken und Materialien zur Einsparung von Treibhausgasemissionen beitragen.

Wichtig ist mir, dass wir mit dem TTP LB vor allem auf marktnahe Projekte und den stärkeren Austausch in der Leichtbauszene eingehen, denn hier sind die Bedarfe groß und zeitnahe Erfolge zu erwarten. Das heißt konkret, dass wir vor allem die Verbesserung noch nicht marktfähiger Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sowie Maßnahmen, die den interdisziplinären Wissens- und Technologietransfer fördern, unterstützen. Dabei richtet sich das Programm an KMU und OEMs und auch an die Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen. Die Höhe der Zuschüsse variiert je nach Projekt und Projektdurchführer zwischen 15 und 80 Prozent.

Das Programm versteht sich als passgenaue Ergänzung der Initiative Leichtbau sowie anderer Förderprogramme der Bundesregierung und soll die Rahmenbedingungen schaffen, um den Industriestandort Deutschland zum Leitmarkt für Leichtbau zu machen.

Ich möchte alle interessierten Unternehmen und Institutionen einladen, ihre Ideen und Innovationen für den Leichtbaustandort Deutschland einzubringen und sich mit ihren Skizzen und Anträgen im TTP LB zu beteiligen.

Im letzten Jahr wurden Probleme bezüglich des Standorts Deutschland und den eventuell zu hohen Energiekosten für Leichtbauaktivitäten von Unternehmen erwähnt, die die Entwicklung hemmen könnten. Kann man da nun Entspannung erwarten, und, wenn ja, wodurch im Einzelnen?

Ihre Frage bekräftigt mich in meinem Kernanliegen, denn die Strompreise müssen bezahlbar bleiben. Deshalb haben wir im letzten Jahr in den Beschlüssen zur Klimapolitik eine schrittweise Entlastung der EEG-Umlage ab 2021 beschlossen. Damit entspannen wir den Strompreisdruck sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die kleinen und mittleren Unternehmen. Davon dürften auch Unternehmen, die im Bereich Leichtbau aktiv sind, profitieren.

In 10 Jahren soll der Leichtbau für deutsche Unternehmen ein wichtiger Wertschöpfungsfaktor sein und Arbeitsplätze sichern. Das bedeutet, die heute Heranwachsenden sollten sich jetzt schon für einen Beruf in dieser Richtung entscheiden, oder dafür überzeugt werden. Gibt es hinsichtlich dafür Unterstützung schon in den Schulen sowie geplante neue Lehr- oder Studiengänge? Wenn ja, welche? Was raten Sie den jungen Leuten?

Ich gebe Ihnen Recht, je früher wir auf dem Bildungsweg das Thema Leichtbau etablieren, umso breiter und nachhaltiger wird die Wissensbasis und Kernkompetenz für Leichtbauinnovationen aus Deutschland. Eine wichtige Rolle spielt sicherlich der Ausbau von Bildungs- und Weiterbildungsangeboten im universitären wie außeruniversitären und gewerblichen Bereich.

Aber auch unsere Schülerinnen und Schüler, und damit meine ich schon die Kleinsten, sind potenzielle engagierte Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler von morgen. Auch hier gilt es, frühzeitig für Hochtechnologien zu sensibilisieren und zu begeistern.

Mit der Umsetzung geeigneter Maßnahmen sind wir noch lange nicht am Ziel, aber die Bundeländer sind auf einem sehr guten Weg. Betrachten wir nur mal das Beispiel Baden-Württemberg. Leichtbau BW bietet zum Beispiel Leichtbau-Zertifikatskurse mit dem Graduate Campus Hochschule Aalen oder lässt Schülerinnen und Schüler im explorhino in Aalen Leichtbau-Luft schnuppern ( siehe auch hier ). Andere Bundesländer gehen bereits ähnliche Wege.

Lassen Sie mich auch zu diesem Punkt abschließend auf die Leichtbaustrategie des Bundeswirtschaftsministeriums verweisen, die aktuell erarbeitet wird. Sicherlich werden wir den Punkt Leichtbau im Bildungsweg auch hier adressieren.

Jetzt lese und höre ich immer öfter von der Brennstoffzelle, die ich als Ingenieur persönlich der Batterie als Energielieferant vorziehen würde und deren effektive Arbeitsweise mir schon lange bekannt ist. Könnte der Leichtbau auch dabei punkten? Und wenn ja, wie?

Um diese Frage zu beantworten, muss ich ganz kurz technisch ausholen. Wie Sie wissen, bietet der hohe elektrische Wirkungsgrad der Brennstoffzelle gute Voraussetzungen, diese für den Antrieb einzusetzen. Im Brennstoffzellenfahrzeug wird die Energie der Brennstoffzelle in einer Batterie zwischengespeichert, bevor der Strom an die Elektromotoren weitergegeben wird. Deshalb kann in einem Brennstoffzellenfahrzeug ein vergleichbares Energiemanagement wie bei batterieelektrischen Kraftfahrzeugen eingesetzt werden. Insbesondere wenn über längere Strecken elektrische Energie zur Verfügung gestellt werden soll, ermöglicht die Brennstoffzellentechnologie größere Reichweiten. Dies ist insbesondere für Lkw und Busse relevant.

Gerade in diesem Bereich kann der Leichtbau außerordentlich punkten, weil jedes eingesparte Kilogramm mehr Zuladung bedeutet. Gleichzeitig zeichnen sich Lkw und Busse durch eine hohe Laufleistung und Lebensdauer aus, sodass sich auch im Moment noch kostenintensivere Werkstoffe und Verfahren schneller rechnen können. Das bedeutet also, dass Leichtbau gerade im Schwerlastbereich die Attraktivität der Brennstoffzelle als alternative Antriebstechnologie befördern kann. Diesen Effekt können wir mit dem TTP LB noch stärken, indem wir die breite industrielle Anwendung der Leichtbautechnologie befördern. Dies sollte dann auch mit Kostensenkungen bei der Herstellung und Verarbeitung von Leichtbaumaterialien einhergehen.

Könnte Ihrer Meinung nach die Batterie und damit auch das Problem mit dem hohen Gewicht eventuell auch bald vom Tisch sein? Der Leichtbau im Fahrzeugsektor also an Attraktivität verliert? Wie sehen Sie das?

Wie bereits dargestellt, gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Gewicht und Energiebedarf für die Fortbewegung. Je leichter ein Fahrzeug ist, desto weniger Energie wird für die Beschleunigung gebraucht. Das ist einfache Physik! Von daher sollte aus meiner Sicht der Leichtbau, unabhängig von der Antriebstechnologie, eben nicht an Bedeutung verlieren, sondern gewinnen. Gerade bei batteriebetriebenen Fahrzeugen wird der Leichtbau eine Schlüsselrolle bei der Optimierung von Nutzlast und auch Reichweite einnehmen. Die Batterie wird eine entscheidende Rolle bei der Mobilitätswende und auch bei der Transformation des Automobilsektors spielen.

Wo muss, abgesehen von den bereits angesprochenen Problemen, noch die meiste Arbeit investiert werden, um den Leichtbau zu dem zu machen, was in ihm steckt?

Aus meiner Sicht haben wir natürlich Herausforderungen zu bewältigen, die jedoch keine Probleme sind. Es gibt Punkte, die wir gemeinsam mit den Leichtbauakteuren angehen müssen. Für mich steht hier der Technologietransfer ganz oben auf der Agenda. Leichtbau wird in unterschiedlichen Branchen bzw. in unterschiedlichen Materialdisziplinen bereits gelebt. Auch in der Forschung gibt es viele gewinnbringende Ansätze, die aber vielfach in der Wirtschaft noch nicht umgesetzt werden. Ich denke, wir können hier unsere Schlagkraft noch deutlich erhöhen, wenn wir den Austausch zwischen den Branchen, den Materialien und zwischen der Wissenschaft und Wirtschaft weiter intensivieren. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt diesen Wissens- und Technologietransfer aktiv mit dem TTP LB und der Initiative Leichtbau, um die erforderliche Vernetzung in dieser ausgeprägten Querschnittstechnologie zu etablieren.

Aber auch weitere Punkte, wie Nachhaltigkeit und Recycling stellen die Leichtbauakteure vor Herausforderungen. Gerade die Steigerung der Kreislauffähigkeit und die Entwicklung und Optimierung von hochwertigen Recyclinglösungen für Leichtbaumaterialien sind unabdingbar, um über den gesamten Lebenszyklus tatsächlich einen Beitrag zur Energie- und Ressourceneffizienz zu erreichen. Auch hier greift das TTP LB unterstützend ein.

Natürlich will das Bundeswirtschaftsministerium die Weichen richtig stellen, um den deutschen Leichtbaustandort weiter zu stärken. Zu diesen Punkten wird es mit der Initiative Leichtbau ebenfalls flankierend tätig. Gerade haben wir einen Prozess zur Erarbeitung von Eckpunkten für eine Leichtbaustrategie des BMWi beendet. Dabei sind bottom-up von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft Vorschläge für 42 konkrete Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern zur Verbesserung der nationalen Rahmenbedingungen im Leichtbau erarbeitet worden. Wir wollen diese Empfehlungen als mögliche Grundlage für eine Leichtbaustrategie nehmen und so gebündelt den Wirtschaftsstandort Deutschland über den Leichtbau weiter stärken und zum internationalen Leitanbieter für Leichtbautechnologien ausbauen.

Wie sehen Sie den Leichtbau mit ebenso wichtigen und herrschenden Entwicklungstrends wie Digitalisierung und Vernetzung – sprich Industrie 4.0 – verbunden? Denn die Leichtbau-Unternehmen können sich auch diesen Themen sicher nicht entziehen, um die Wertschöpfung bis 2030 zu maximieren.

Die Digitale Transformation in der Industrie ist ein Schwerpunktthema des BMWi, dies ist nicht zuletzt auch in der Industriestrategie 2030 dargestellt. Dabei ist die Digitalisierung Grundvoraussetzung, um Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantencomputing nutzen zu können. Insbesondere für Schlüsseltechnologien wie den Leichtbau wird es daher entscheidend sein, entsprechende Kompetenzen auszubauen und zu bündeln. So können Potenziale besser ausgeschöpft und digitalisierte Wertschöpfungsketten etabliert werden. Konkret für die Praxis bedeutet das eine verstärkte Bereitstellung, Nutzung und Weiterentwicklung digitaler Techniken, wie z. B. Materialdatenbanken, Modellierungen, prozessstufenübergreifende Simulationen und selbstlernende Prozesse. Hier unterstützt im Übrigen auch das Technologietransfer-Programm Leichtbau durch gezielte Förderung von Projekten im Bereich Digitalisierung und Automatisierung.