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Gerade noch lief die Kanzlerin über den Stand und Henning Kagermann schüttelte den alten SAP-Kollegen die Hände. Dafür hat sie jetzt keine Zeit. Fast ununterbrochen leuchten Terminerinnerungen auf ihrem Smartphone auf. Sie dreht es um. Sie spricht schnell ‒ hin und wieder ist es ein Mix aus Englisch und Deutsch.

„Konstruktion, Produktion und Logistik wachsen in der Digitalisierung der Fabriken noch stärker zusammen, um Kundenbedürfnisse noch viel stärker zu berücksichtigen“, erklärt die Managerin und lässt den Blick über den Stand schweifen. „Wir haben die industrielle Supply Chain nachgebaut, um den Besuchern den Prozess zu verdeutlichen.

Er wandert durch die Wertschöpfungskette und bedient sich der Technologien“, schwärmt sie. Doch der Mehrheit der Besucher fehlt es noch an Transparenz und Connectivity in den Prozessen und bei den Daten.

Sie blickt zu den Kollegen am Tisch ‒ Kommunikatoren, Pressesprecher. „Sollen wir?“ – „Ja, aber mit Sperrfrist.“ Und dann erzählt sie begeistert weiter, spricht die Pressemitteilung an, die für den darauffolgenden Tag geplant ist: Zusammen mit Beckhoff, Endress+Hauser, Hilscher, ifm, Kuka und Multivac gründet SAP die Open Industry 4.0 Alliance. Hala Zeine wird die Zusammenarbeit am Messedienstag der Öffentlichkeit präsentieren. Die Mitglieder beabsichtigen die Schaffung eines standardisierten und offenen Ökosystems für den Betrieb von hochautomatisierten Fabriken und Anlagen unter Einbindung von Logistik und Services. Damit will die Allianz proprietäre Insellösungen überwinden und der digitalen Transformation der europäischen Industrie den entscheidenden Schub geben ‒ der Traum vom Echtzeit-Flow in der Supply Chain soll Realität werden. Den Traum träumen auch andere ‒ zuletzt BMW und Microsoft.

Magie kostet

Die Firmen planen – zusammen mit den zukünftigen Mitgliedern – auf Basis existierender Standards wie I/O Link, OPC UA und RAMI – ein sogenanntes Open Industry 4.0 Framework. „Oder ein LinkedIn für Industrie-Assets“, fasst es Zeine zusammen. Kostenlos? „Ja.“ Doch wer LinkedIn voll nutzen will, braucht einen Premiumzugang für Leads, Direktnachrichten und Co. Denn geplant ist auch eine Anbindung an das Lösungsportfolio von SAP. „Für die Magie bezahlen die Anwender, aber wir wollen niemanden dazu zwingen, auf SAP umzustellen. Jeder, der will, soll sein MES behalten können. Die Systeme sollen schließlich zusammenarbeiten.“ Das Ziel: 80 Prozent der Maschinen in einer Smart Factory sollen die gleiche Sprache sprechen. „Die Unternehmen möchten sich dabei nicht an einen großen Anbieter binden.“ Magie können ML-Anwendungen oder andere Dienstleistungen sein, heißt es bei den Gründern. Zeine blickt auf ihr Smartphone ‒ die Nachrichten nehmen kein Ende ‒ und vergleicht die neue Allianz mit Apple und korrigiert sich dann: „Eigentlich mehr wie Android, offen eben.“

Das offene, standard-basierte Angebot der Open Industry 4.0 Alliance besteht aus den vier Bausteinen Device Connectivity, Edge, Operator Cloud und Cloud Central plus einem zugehörigen Dienstleistungsangebot. Device Connectivity stellt die Verbindung zu den Maschinen und Sensoren her. Die Edge ist der zentrale Knoten für alle wichtigen und lokal notwendigen Funktionen in der Fabrik. Die Operator Cloud ist der zentrale Knoten im Unternehmen des Kunden. Auch diese Operator Cloud hat einen offenen Layer und unterstützt alle unternehmenszentrischen Funktionen und Applikationen. Cloud Central schließlich ermöglicht den bidirektionalen Austausch von Daten (insbesondere Stammdaten, aber auch Messdaten aus einer Kalibrierung) und Informationen (zum Beispiel technische Dokumentationen oder Reparaturanleitungen) über Unternehmensgrenzen hinweg. Das Rechenzentrum für die Cloud steht in Frankfurt. „Im Sommer werden wir erste proof of concepts präsentieren“, verspricht die SAP-Managerin. Die Walldorfer kommen mit ihrer Allianz zur rechten Zeit. Die Kollegen mahnen zur Eile, jetzt muss sie aufs Podium mit Siemens. Treffen da neue Wettbewerber aufeinander? „Nein, das nennt sich ‚coopetiton‘. In manchen Bereichen arbeitet man eng zusammen, in anderen entsteht womöglich eine Konkurrenzsituation. So ist die Geschäftswelt heutzutage“, resümiert Zeine.