Aussteller & Produkte

Im Reich der Mitte müssen die Ergebnisse des LLM, der generativen künstlichen Intelligenz, den sozialistischen Zielen der Kommunistischen Partei entsprechen. Nur sozialistische Inhalte bzw. Inhalte, die dem sozialistischen Gedankengut nicht entgegenstehen, sind als Ergebnisse zugelassen. Ungläubige Blicke bei vielen Managern während einer internen Veranstaltung eines großen Maschinenbauers, als diese Tatsache auf der Leinwand erscheint. Ist das ein Witz? Nein! China hat seine eigene KI (künstliche Intelligenz)-Strategie. Auch Recommender-Algorithmen, die Inhalte in sozialen Netzwerken, auf Websites, in Chats dem User vorschlagen, müssen diesem Anspruch der Kommunistischen Partei genügen. China habe die Chancen von KI schnell für sich entdeckt – im Public-Service-Bereich, aber auch in der Industrie in Form von höherer Produktivität, heißt es in vielen Analysen. „Aber die Regierung hat auch schnell erkannt, dass es Algorithmen gibt, die Menschen mobilisieren können“, erklärt Rebecca Arcesatis vom Mercator Institute for China Studies im Industrial AI Podcast. Das wolle man unterbinden. Die chinesische Regierung spricht mit, wenn Internetplattformen Algorithmen entwickeln und deployen. Die China-Expertin Arcesatis und ihr Team sind sehr gefragt. Die Industrie und die Politik brauchen Nachhilfe.

Im Gegensatz zu vielen europäischen Staaten priorisiert China das Thema künstliche Intelligenz weit oben in seinen politischen, gesellschaftlichen Plänen – dicht gefolgt von Open Source und Robotik. Der Staat investiert Milliarden, die Unternehmen erhalten Zuwendungen, wenn sie im Bereich KI forschen und Produkte entwickeln, die echte Industrieprobleme lösen, die Forschung schreibt ein KI-Paper nach dem nächsten und die Universitäten und Firmen melden sehr viele Patente an. Manche westlichen Beobachter sprechen von einer aggressiven Patentstrategie. „Die versuchen alles im KI-Bereich zu patentieren, verstopfen die Patentämter, verfolgen eine sehr aggressive Strategie“, erklärt ein Industriemanager. Das ist nicht verboten, aber vor allem viele kleinere, innovative, europäische Unternehmen sehen darin ein Problem. Europa fehle nicht nur eine KI-, sondern auch eine Patent-Strategie, bemängeln sie. Zurück nach China: „Wir erleben eine KI-Welle mit vielen neuen Unternehmen“, erklärt Arcesatis. 2022 sammelten chinesische Unternehmen im Bereich KI mehr privates Geld als Unternehmen aus Europa oder UK ein. Die USA führen bei den Investitionen, doch China holt weiter auf. Chinas KI-Strategie ist aber auch sehr politisch. Die Technologie hilft der Industrie, macht das Reich der Mitte noch wettbewerbsfähiger, aber auch das Militär ist ein wichtiger Spieler. Für die Modernisierung der Streitkräfte ist KI eine Schlüsseltechnologie. KI spielt damit auch eine wichtige Rolle für Chinas geopolitische Ambitionen – auch dank europäischer Forschung?

In Europa und vor allem in den USA machen sich deshalb viele Menschen Sorgen. Die Beziehungen zwischen den USA und China sind im Bereich KI Forschung eng. Auch in Europa arbeiten mehr als 100 Labs mit chinesischen Forschern zusammen. Es geht um Industrial AI-Anwendungen, Grundlagenforschung, KI-Theorie oder Natural Language Processing. Auch bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen gibt es viel Kooperation. Das Vereinigte Königreich ist nach den USA der größte Partner von chinesischen Wissenschaftlern. Doch in den europäischen und US-Hochschulen macht man sich Gedanken ob der Zusammenarbeit. Es geht um die nationale Sicherheit und die Frage, ob Menschenrechte in China durch Forschung auch aus Europa oder den USA verletzt werden. Wohin gehen die Ergebnisse und wer nutzt diese und wie? Die Politik ist gefordert, neue Regeln zu schaffen. Und auch Unternehmen stellen sich die Frage: Sind Informatik und Computer Science unpolitisch?

Bei den wissenschaftlichen Co-Publikationen von US- und chinesischen Forschern erlebe man einen Rückgang, der aber auch COVID-19 geschuldet sein könnte, heißt es bei Analysten. Die Spannungen zwischen den USA und China sind aber real. Einige chinesische Forscher verließen die USA, berichtet Arcesatis. In Peking freut man sich darüber. Schon in den frühen 2000er-Jahren stand die digitale Souveränität ganz oben auf der politischen Agenda. Die Regierung sah die Gefahr einer Abhängigkeit im IT-Bereich von den USA. Ein eigenes Open-Source-Ecosystem entstand, der Android-Bann gab den Chinesen recht. Heute überquert keine GPU-Einheit die chinesischen Grenzen mehr, dringend benötigte ASML-Maschinen der neuesten Generation stehen in europäischen Häfen und dürfen nicht exportiert werden. Die US-Regierung stoppte den Export der wichtigen KI-Infrastruktur. Die Chips sind Chinas Achillesferse im Bereich KI. Forscher arbeiten an Alternativen, sie kombinieren Chips, entwickeln eigene oder arbeiten an KI-Anwendungen, die mit weniger Computing Power auskommen – ein GPU-Bypass quasi. Auch die Forschung zu LLMs nimmt in China Fahrt auf – Voraussetzung: sozialistisch genehme Inhalte als Ergebnis. Kann das funktionieren? Schon in den 90erJahren sagten westliche Beobachter voraus, dass es China ohne freies Internet nie gelingen würde, eine digitale Nation zu werden. Sie irrten sich gewaltig. Was muss Europa lernen? Unternehmen und Forscher müssen das Innovations-Ecosystem der Chinesen besser verstehen. Wie arbeiten Labore, Forscher, Unternehmen, die Partei und Sicherheitsbehörden zusammen, wo sind die Verbindungen, wie entwickelt sich das Ecosystem und wo lauern Gefahren für Forscher und Unternehmer? Das kann man von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Universität nicht verlangen. Die Politik ist gefordert, muss Leitlinien vorgeben, aufklären. Die Chinesen würden unser System sehr gut kennen, meint Arcesatis. Europa weiß immer noch zu wenig über China.