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Unser Planet steht vor rapiden Veränderungen, wie sie bisher nur durch singuläre Ereignisse ausgelöst wurden. Doch dieses Mal ist es kein Komet und kein Supervulkan, dieses Mal ist es der Mensch, der sich die Erde zuerst Untertan gemacht hat – und nun dabei ist, sie in seiner Hybris zu zerstören. Aufhalten lässt sich dieser Prozess nur durch die gemeinsamen Anstrengungen aller. Der Erhalt einer lebenswerten Zukunft kann nur gelingen, wenn Menschheit, Tier- und Pflanzenwelt möglichst bald in einem harmonischen Gleichgewicht leben. Auch Festo, gleichzeitig Global Player und unabhängiges Familienunternehmen mit Sitz in Esslingen am Neckar, hat die Zeichen der Zeit erkannt und betrachtet die Bioökonomie als Wirtschaftssystem der Zukunft. „Unser Anspruch ist, einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität heutiger und kommender Generationen zu leisten – durch die Kultivierung von Biomasse im großen Stil durch unsere Automatisierungstechnik“, erklärt Dr. Elias Knubben, Vice President Corporate Research and Innovation bei Festo.

Effiziente Kohlendioxid-Speicher

In diesem Zusammenhang widmete sich das Festo Bionik-Team zuletzt verstärkt der Photosynthese. Sie sorgt bekanntermaßen dafür, dass die Chloroplasten in Algenzellen das Sonnenlicht, Kohlendioxid (CO2) und Wasser in Sauerstoff und chemische Energieträger beziehungsweise organische Wertstoffe umwandeln. Mit dem jüngst vorgestellten Projekt PhotoBionicCell wollen die Schwaben diesen Prozess nun für eine Art industrielle Biologisierung nutzen. Der innovative Photobioreaktor soll in der Lage sein, Algen automatisiert zu kultivieren und ihr Wachstum unter Kontrolle zu halten, also die Biomasse in einem geschlossenen Kreislauf hocheffizient und ressourcenschonend zu züchten. Dank der Automatisierungstechnik von Festo und den sich daraus ergebenden optimalen Bedingungen sollen diese Algen einhundert Mal mehr Kohlendioxid binden können als Landpflanzen wie Bäume oder Mais.

Klimaneutrale Endprodukte dank biobasierter Ausgangsstoffe

Doch die Algen binden nicht nur überschüssiges CO2, ihre Stoffwechselvorgänge produzieren unter anderem Fettsäuren, Farbpigmente und Tenside, die als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Medikamenten, Lebensmitteln, Kunststoffen oder Kosmetika dienen können. Und im Unterschied zu Produkten auf Mineralölbasis können die biobasierten Endprodukte in der Regel biologisch abgebaut und – ganz im Sinne einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft – klimaneutral rückgeführt werden. Zur Veranschaulichung nennt Festo folgendes Beispiel: Für die klassische Herstellung eines Shampoo-Behälters benötigt man rund einen Liter Erdöl. Am Ende ihres Lebens landet die Flasche in der Verbrennungsanlage und setzt drei Kilogramm CO2 frei – die klassische negative CO2-Bilanz, die im Wesentlichen den Klimawandel zu verantworten hat. Nutzt man nun stattdessen Bio-Kunststoff auf Basis von Algen, werden zuerst drei Kilogramm CO2 gebunden, die am Ende des Lebenszyklus wieder frei werden. Der Kreislauf ist im Gleichgewicht.

Präzise Quantifizierung dank Quantentechnologie

Bei der Entwicklung der PhotoBionicCell galt es, zuerst eine besonders geeignete Algenart zu finden. Die Wahl der Forscher aus dem Bionic Learning Network fiel schließlich auf die Blaualge Synechocystis. Sie produziert neben Farbpigmenten und Omega-3-Fettsäuren auch Polyhydroxybuttersäure (PHB) – und dieses PHB lässt sich durch den Zusatz weiterer Stoffe unter anderem im 3D-Druck verarbeiten. Doch mit der Entscheidung für die Synechocystis war es längst nicht getan. Die vielleicht größte Herausforderung bei Bioreaktoren ist es, die Menge der Biomasse exakt zu quantifizieren. Hierfür setzt Festo folgerichtig auf einen Quantentechnologie-Sensor des Start-ups Q.ANT, der in der Lage ist, präzise und in Echtzeit Auskunft über das Wachstum der Organismen zu geben. Dafür werden ihm die Algen kontinuierlich und automatisiert durch spezielle mikrofluidische Komponenten von Festo, beispielsweise Pumpen zur präzisen Steuerung kleinster Flüssigkeitsmengen, zugeführt. Der Quantensensor soll in der Lage sein, selbst einzelne Zellen optisch zu analysieren, sodass die Menge der Biomasse exakt ermittelt werden kann. Damit nicht genug, mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) untersucht er die Zellen zusätzlich auf ihre Vitalität. Erst dadurch ist es möglich, auf unerwünschte Prozessereignisse zu reagieren und regelnd einzugreifen.

Softwarelösungen für ein digitalisiertes Labor

Doch Festo wäre nicht Festo, wäre die Automatisierung an dieser Stelle bereits ausgereizt. Viele Analysen im Labor werden nach wie vor manuell durchgeführt, was bekanntermaßen aufwendig ist und zu Fehlern führen kann. Gelänge es, auch die Laboranlagen zu automatisieren, ließen sich zukünftig alle notwendigen Daten direkt und in Echtzeit ablesen. Also haben die Forscher für PhotoBionicCell eine eigene Software entwickelt, deren Dashboard gleich mehrere Photobioreaktoren mit aktueller Datenlage und Live-Aufnahmen abbilden kann. So lassen sich auch aus der Ferne und 24 Stunden am Tag manuelle Parameteränderungen und die entsprechenden Auswertungen vornehmen. Zudem können die Nutzer jederzeit auf Veränderungen im Bioreaktor reagieren und beispielsweise die Produkternte zum optimalen Zeitpunkt einleiten.

KI sorgt für weitere Optimierung

Für die Auswertung der Daten kommt dann wieder die KI zum Einsatz. Damit kann der Bioreaktor entweder auf die Vermehrung der Algenkulturen optimiert werden oder darauf, vorgegebene Wachstumsparameter bei minimalem Energieeinsatz zu erhalten.

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