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Die essenziellen Umgestaltungen im Zuge der Klimakrise und die damit verbundene Abkehr von fossilen Brennstoffen führt zu vollständig veränderten Bedarfen an bisher eher als exotisch wahrgenommenen Ressourcen. So zählt Lithium längst zu den begehrtesten Rohstoffen, und die Nachfrage nach dem weißen Gold wird exponentiell weiter ansteigen. Allein schon die Umstellungen im Mobilitätssektor werden aus Lithium eine knappe Ressource machen. Grundsätzlich gibt es vorerst zwar genug Lithium auf der Erde, so lagern beispielsweise in chilenischen Salzwüsten oder in australischen Minen noch beachtliche Reserven. Doch langfristig wird man nicht darum herumkommen, neue Quellen zu erschließen, um den wachsenden Bedarf zu bedienen. Ideal wären – aus buchstäblich naheliegenden Gründen – regionale Lithium-Quellen, deren Ausbeutung sich auch positiv auf den CO2-Fußabdruck auswirken würde. Entsprechende geologische Untersuchungen finden daher weltweit statt. Auch das Recycling von bereits verwendetem Lithium verspricht Entlastung beim Beschaffungsdruck, doch dafür steht der Zyklus noch zu sehr am Anfang, um einen nennenswerten Ertrag erbringen zu können. Die Forschung widmet sich daher auch neuen Herangehensweisen, wie der Extraktion des Alkalimetalls aus wässrigen Lösungen. Es gibt zum Beispiel Ansätze, Lithium aus Thermal- oder aus Grubenwasser zu gewinnen. Und schließlich stellen auch die Weltmeere ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Lithium dar. Zwar ist dessen Konzentration im Meerwasser äußerst gering, doch in Summe lagern dort rund 230 Milliarden Tonnen des begehrten Rohstoffs.

Potenzial erkannt…

Mithin ein Potenzial, vor dem man nicht einfach die Augen verschließen kann. Forschende des INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken haben daher in Zusammenarbeit mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai ein neues elektrochemisches Verfahren zur Gewinnung von Lithium-Ionen aus Meerwasser entwickelt. In ACS Energy Letters hat das deutsch-chinesische Team um Prof. Volker Presser jetzt das Verfahren vorgestellt, das zum einen mit wenig Energie-Input auskommt und zum anderen eine kontinuierliche Abtrennung von Lithium gewährleisten soll.

…nun muss es gehoben werden

Grundlage des in ACS Energy Letters vorgestellten Verfahrens zur Lithiumgewinnung aus wässrigen Lösungen ist eine Kombination aus einer Redox-Fluss-Batterie, einer Polymermembran für den Austausch von Anionen und zwei lithiumselektiven keramischen Membranen (LISICON). Im Unterschied zur elektrochemischen Reaktion in festen Elektroden herkömmlicher Batterien speichern Redox-Fluss-Batterien Energie durch Oxidation und Reduktion eines flüssigen Elektrolyten. Das flüssige Medium hat den Vorteil, dass der Redox-Elektrolyt gepumpt und so ein kontinuierlicher Betrieb gewährleistet werden kann. Je nach gewünschter Größe des Systems kann das Volumen der Elektrolyt-Tanks zudem einfach angepasst werden.

Aus zwei mach vier

Grundsätzlich besteht so eine elektrochemische Zelle aus zwei Kammern: eine für die elektrochemische Oxidation und eine zweite für die Reduktion – getrennt durch eine Ionentauschmembran. Beim jetzt vorgestellten INM-System befinden sich zwischen den beiden Kammern für den Redox-Elektrolyten zwei weitere Kanäle für den Zustrom von lithiumhaltigem Wasser und zur Anreicherung von Lithium-Ionen, so dass das Gesamtsystem nun insgesamt vier Kammern aufweist. Die bereits erwähnten keramischen LISICON-Membranen sorgen indes dafür, dass andere Kationen, wie Natrium- oder Kalium-Ionen, effektiv blockiert werden.

Beständige Lithium-Ernte

„Man kann sich unser Verfahren wie einen im Kreis fahrenden Bus vorstellen. Lithium-Ionen, zum Beispiel aus Meerwasser, werden durch die Reduktion einer Rotkali-Lösung in der einen Kammer aufgenommen und bei der Oxidation in einer anderen Kammer wieder abgegeben“, erläutert Prof. Presser und ergänzt: „Dieses ‚Ein-und-Aussteigen‘ hat viele Vorteile: Zum einen können wir das System kontinuierlich laufen lassen, ganz wie jede andere Redox-Fluss-Batterie. Das ist sehr wichtig für eine beständige Lithium-Ernte. Und zum anderen können wir damit verschiedene Lithium-Ionen-Quellen nutzen.“ Stefanie Arnold, Doktorandin in der Energie-Materialien-Gruppe des INM, ergänzt: „Das Verfahren eignet sich für natürliches Wasser, beispielsweise aus den Ozeanen oder aus Hydrothermalquellen. Wir können es aber auch für Grubenwasser oder für die Extraktion von Lithium-Ionen beim hydrometallurgischen Recyclen von gebrauchten Batterien nutzen“.

Gute Perspektive

Im nächsten Schritt soll das elektrochemische System weiter verbessert werden. „Derzeit ist die keramische LISICON-Membran im Fokus unserer Optimierungsstrategie. Dünnere und auf anderen Materialien basierende Lithium-Ionen-Membranen werden den Prozess deutlich schneller ablaufen lassen und ergeben geringere Kosten bei gleichzeitig verbesserter mechanischer Stabilität“, so Presser. Nach Einschätzung der Wissenschaftler wird eine solche Technologie perspektivisch einen wichtigen Beitrag zur Lithium-Kreislaufwirtschaft leisten können.