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Im Vorfeld wollten wir von Prof. Dr. Kagermann wissen, welche die wichtigsten Punkte sind, damit Deutschland in Sachen neue Mobilität weiterhin ein Pionier bleibt.

Wir haben aktuell viele Diskussionen zu unterschiedlichsten Mobilitätsthemen, wie z.B. die Verbrennungsmotoren, die Elektromobilität, neue Mobilität und auch Flugtaxis. Wie kann die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) diese und weitere Themen unter einem Dach sinnvoll vereinen?

Mobilität berührt jeden tagtäglich: Sie ist Teil individueller Freiheit und Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung. In der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität diskutieren Vertreter aus Gesellschaft, Umwelt, Politik und Wirtschaft die Mobilität ganzheitlich. Das beginnt in den Bereichen, die unsere individuelle Mobilität direkt bestimmen – welche Verkehrsmittel und Transportangebote uns zur Verfügung stehen, vom Fahrrad über den eigenen PKW bis hin zum ÖPNV. Und geht bis zu den Energieträgern, die unsere Verkehrsmittel antreiben und den technischen Voraussetzungen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die Mobilität erst möglich und sicher machen.

Mit den sechs Arbeitsgruppen decken wir die gesamte Bandbreite der relevanten Themen für die Transformation des Mobilitätssystems ab. Die technische Dimension – alternative Antriebs- und Kraftstoffarten, die Digitalisierung des Verkehrssystems und die Verknüpfung von Energie- und Verkehrssektor – ebenso wie die gesellschaftliche und die ökologische Dimension – Klimaschutz im Verkehr, die Sicherung von Wettbewerbs- und Arbeitsplätzen, die Festlegung von Normen und Standards.

Die Experten diskutieren in den AGs und ihren Unterarbeitsgruppen, welche Weichen in den einzelnen Bereichen für eine bezahlbare, klimafreundliche und wettbewerbsfähige Mobilität der Zukunft gestellt werden sollten. Dabei arbeiten die Arbeitsgruppen eng zusammen. Am Ende berichten die AGs dem Lenkungskreis, dem alle AG-Leiter und Vertreter der Ressorts, der Länder und Kommunen sowie der Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltverbände und der Gewerkschaften angehören. Der Lenkungskreis stimmt aus der Vorarbeit der AGs schließlich Handlungsempfehlungen für die Politik ab – so entstehen umfassende technologieoffene und verkehrsträgerübergreifende Konzepte für eine zukunftsfähige Mobilität.

Welche sind die drei dringlichsten Themen, die zügig geklärt werden müssen, wenn Deutschland weiterhin als Land der Mobilitätspioniere auch international vorn mitreden will?

Die Digitalisierung ist eines der drängendsten Themen. Hier müssen wir jetzt zügig die richtigen Weichen stellen – bei der Infrastruktur ebenso wie beim regulatorischen Rahmen und offenen Standards – damit wir die Potentiale von Automatisierung, Vernetzung, neuen Mobilitätskonzepten und intelligenter Verkehrssteuerung in Zukunft bestmöglich nutzen können und einen Innovationsschub für unsere Wirtschaft bewirken.

Auch im Bereich der alternativen Antriebe sollten wir den Hochlauf von Fahrzeugen und der zugehörigen Infrastruktur mit Förderprogrammen und Anreizen weiterhin unterstützen und gleichzeitig sicherstellen, dass die deutsche Industrie ihre Leitanbieterschaft bei alternativen Fahrzeugkonzepten ausbauen kann.

Mit der zunehmenden Nutzung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen rückt dann natürlich auch die Verknüpfung von Energie und Verkehrssektor weiter in den Fokus. Ein Mittelklasse-PKW verbraucht mit etwa 3000 kWh/a fast so viel wie ein 4 Personenhaushalt. Damit die Energiewende und die Transformation unserer Mobilität Hand in Hand gehen können brauchen wir innovative Lösungen, zum Beispiel intelligente Ladesysteme, mit denen Elektrofahrzeuge bedarfsgesteuert und netzdienlich geladen werden, Lastspitzen vermieden und Spitzen in der Stromerzeugung durch regenerative Energiequelle ausgeglichen können.

Die deutsche Autoindustrie steht gleich vor mehreren Herausforderungen: Elektromobilität, autonomes Fahren, neue Mobilitätskonzepte. Insbesondere die Software spielt in allen genannten Bereichen eine ganz zentrale Rolle. Wo ist die deutsche Wirtschaft gut aufgestellt und wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Im Bereich Elektromobilität ist die deutsche Industrie bereits gut aufgestellt. Sie ist einer der internationalen Leitanbieter für Elektrofahrzeuge. Mit dem Hochlauf der Elektromobilität und den 100 angekündigten Elektrofahrzeugmodellen bis 2020 werden die deutschen Automobilhersteller ihren Anteil am internationalen Gesamtmarkt noch weiter ausbauen können. Dabei wird aktuell die gesamte Wertschöpfungskette mit Ausnahme der industriellen Fertigung der Batteriezellen in Deutschland abgebildet und jedes dritte Patent weltweit im Bereich Elektromobilität kommt aus Deutschland.

Auch beim automatisierten und digital vernetztem Fahren hat Deutschland Innovationen sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene maßgeblich vorangetrieben, deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren knapp die Hälfte aller weltweiten Patente zum autonomen Fahren angemeldet. Hier haben wir Vorteile, weil wir im Bereich der Forschung sehr weit fortgeschritten sind. Neue Funktionalitäten können aber häufig leider nur im Ausland erprobt werden. Die flächendeckende Erprobung und Markteinführung von Innovationen für das autonome und vernetzte Fahren sollte man durch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen auch in Deutschland ermöglichen.

Für neue Mobilitätskonzepte wie Sharingflotten gibt es hierzulande bereits erfolgreiche Anbieter und das Angebot wird von den Nutzern gut angenommen. Im Bereich der intelligenten Verkehrssteuerung besteht hingegen noch Nachholbedarf. Mit dem DFKI haben wir eines der weltweit größten Forschungseinrichtungen zur künstlichen Intelligenz und die neue KI-Strategie der Bundesregierung kann helfen, hier den Anschluss an führende Länder wie die USA zu halten.

Bei der Software befindet sich die deutsche Industrie insgesamt im Mittelfeld. Hier hätte Deutschland schon früher investieren sollen. Zudem herrscht ein Mangel an Softwareexperten, weil aktuell gar nicht so viele Experten ausgebildet werden, wie nachgefragt werden.

In der Logistik wird insbesondere das autonome Fahren mit großer Hoffnung aufgenommen. Die Branche leidet unter Personalmangel und sieht gleichzeitig natürlich auch die Optionen für steigende Effizienz. Sehen wir also autonome Konzepte zuerst in der Logistik, die auch wirtschaftlich tragfähig sind?

Für die Logistik bietet die Digitalisierung große Chancen, auch bereits in den Vorstufen zum vollständig autonomen Fahren. Im Bereich der Intralogistik gibt es viele automatisierte Lösungen, die schon heute eigesetzt werden. Zum Beispiel bewegen fahrerlose Transportsysteme, die Geonavigation nutzen, Waren entlang zuvor gelernter Strecken. Diese intelligenten Systeme können Hindernisse dabei selbstständig erkennen und so kooperativ und sicher mit Menschen zusammenarbeiten. In Zukunft könnten sie über Cloudnavigation Daten miteinander austauschen und dann auch außerhalb der gelernten Routen sicher unterwegs sein. Auf dem Firmengelände angekommen könnten auch LKW zum Beispiel komplizierte Rangiermanöver bei der Anlieferung autonom vornehmen.

Der Güterverkehr könnte durch Technologien wie Platooning – automatisierte Fahrzeugketten – in Zukunft auch weniger Fahrer benötigen. Während der LKW automatisiert fährt, hat der Fahrer die Möglichkeit weitere Aufgaben wie Disponententätigkeiten auszuführen. Dadurch würde das Berufsbild aufgewertet werden. Wenn Ladungen durch die Digitalisierung besser gebündelt werden, kann man hier zudem Kosten einsparen und das Verkehrsaufkommen verringern. Das Potential, durch automatisierte Konzepte im Bereich der Logistik wirtschaftlich tragfähige Konzepte zu implementieren ist bereits sehr hoch und wird durch autonome Konzepte noch steigen.

Sie sind ein absolut ausgewiesener Kenner der Branche. Darf man fragen, wie Sie sich persönlich die Mobilität nach 2030 vorstellen?

Ich persönlich denke, das Mobilitätssystem nach 2030 wird nicht nur sicherer und umweltfreundlicher sein, sondern durch die Digitalisierung werden wir die individuelle Mobilität auch auf ein neues Niveau heben können. Der Individualverkehr und der ÖPNV werden stärker miteinander verknüpft sein. Vernetzung und Automatisierung ermöglichen einen individualisierten öffentlichen Verkehr mit autonomen ÖPNV-Shuttles, die die Nutzer bequem, bedarfsgerechter und kostengünstiger als heute an Ziel bringen und zum Beispiel auch in ländlichen Bereichen als Zubringer zum nächsten Bahnhof genutzt werden können. Wir gewinnen an mobiler Freizügigkeit und können die gewonnene Zeit während der Fahrt besser nutzen als heute. Die Fahrzeuge werden besser ausgelastet sein und weniger geparkt herumstehen. Auch im Güterverkehr werden wir wie bereits angesprochen effizientere Transportmöglichkeiten nutzen und Warenlieferungen verschiedener Anbieter zum Beispiel gebündelt zustellen. Der Verkehr wird durch Vernetzung und intelligente Verkehrssteuerung flüssiger, die Fahrzeuge durch klimafreundlichere Antriebe und Kraftstoffe aus regenerativem Strom sauberer und auch leiser sein. Insgesamt werden wir mehr Mobilität haben bei weniger Verkehr, Stau und Umweltbelastung.