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Die Akzeptanz von AR-Brillen war in der Fertigung oder der Wartung in den letzten Jahren noch überschaubar, denn viele Anwender klagten über zu klobige Brillen, zu starke Erwärmung der Produkte und zu kleine Sichtfelder. Dazu kommt ein hoher Entwicklungsaufwand, der vor allem kleinere Unternehmen verschreckte. Technisch hat Microsoft jetzt nachgebessert. Seit Herbst ist die HoloLens2 verfügbar. Und die Forschung setzt auf Plattformen, vorausschauende Systeme und Anwendungen im Stapler.

Zur Technik: Die Hololens 2 nutzt einen neuen Time-of-Flight-Tiefensensor, kombiniert mit integrierter KI und semantischem Verständnis, und ermöglicht die direkte Manipulation von Hologrammen mit den gleichen instinktiven Interaktionen, die Anwender mit physischen Objekten in der realen Welt verwenden würden. Das wird von Testpersonen vor Ort gelobt. Greifversuche klappen problemlos. Neben den Verbesserungen im Anzeigebereich und der direkten Manipulation von Hologrammen enthält Hololens 2 Eyetracking-Sensoren, die die Interaktion mit Hologrammen noch natürlicher machen sollen, heißt es bei den Entwicklern.

Und auch die Forschung startet einen neuen Anlauf beim Thema Datenbrillen. Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) GmbH und des Instituts für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover wollen gemeinsam mit drei großen Gabelstapler-Herstellern und weiteren Industrieunternehmen AR in den Stapleralltag bringen. Künftig sollen die Mitarbeiter am Steuer des Staplers eine AR-Brille tragen, mit der sie durch Hindernisse hindurchsehen können. Zusätzlich können im Sichtfeld wichtige Informationen und Warnhinweise einblendet werden, heißt es in einer Mitteilung der Forscher. Im Falle des Staplerfahrers wird sein reales Sichtfeld vom Kamerabild überlagert. Schaut er beispielsweise direkt nach vorn, sieht er den Hubmast und die Ladung sowie gleichzeitig das Bild der Frontkamera. Legt er den Rückwärtsgang ein und schaut über die Schulter, sieht er das Bild der Rückfahrkamera und gleichzeitig sein reales Sichtfeld. Egal, in welche Richtung er schaut: Es wirkt so, als könne er durch Hindernisse hindurchsehen.

In den kommenden zwei Jahren müssen die Forschungspartner einige Herausforderungen lösen: Zunächst müssen sie geeignete Orte finden, um Kameras am Gabelstapler zu installieren und einen virtuellen Rundumblick zu ermöglichen – dafür sind die Wissenschaftler am ITA hauptverantwortlich. Sie kümmern sich zudem um den Algorithmus der Bildüberlagerung: Alle Hindernisse, die die Sicht einschränken, sollen von Kamerabildern überlagert werden. Die Wissenschaftler am IPH beschäftigen sich mit der sogenannten kontextbasierten Informationsanzeige, also mit der Frage, welche zusätzlichen Informationen der Staplerfahrer zu welchem Zeitpunkt benötigt und wie diese in seinem Sichtfeld eingeblendet werden können. Denkbar ist beispielsweise, Auftragsdaten anzuzeigen, damit der Staplerfahrer auf ausgedruckte Listen verzichten kann. Auch Warnhinweise könnten eingeblendet werden – etwa ein niedriger Ladezustand des Staplers oder ein gesperrter Weg. Um den Fahrer nicht zu überfordern und möglicherweise die Verkehrssicherheit zu gefährden, untersuchen die Wissenschaftler am IPH, in welchem Szenario welche Information wirklich benötigt wird. Zudem entwickeln sie eine Gestensteuerung, sodass der Fahrer intuitiv mit der AR-Brille interagieren kann: Mit einfachen Handbewegungen soll er Hinweise ausblenden können – etwa, wenn er eine Warnung zur Kenntnis genommen hat – oder Zusatzinformationen wie beispielsweise Auftragsdaten einblenden können.

Vorausschauende Brille

Auch in Bielefeld arbeiten Universität und Fachhochschule an einer neuen Form von Datenbrillen - eine vorausschauende Lösung ist das Ziel. „Das Besondere an unserem Assistenzsystem ist, dass es nicht einfach Handlungsanweisungen vorgibt. Es kennt die nutzende Person, erfasst die aktuelle Situation, erkennt also eigenständig Objekte und Handlungsschritte und richtet seine Unterstützung danach aus“, erklärt Prof. Dr. Thomas Schack. Schack koordiniert das Projekt Avikom. Seine Gruppe gehört zur Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft und ist am E Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie CITEC beteiligt.

Avikom steht für: Audiovisuelle Unterstützung durch ein kognitives und mobiles Assistenzsystem. Damit sich das System auf die jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer einstellen kann, werden die Fertigkeiten der Beschäftigten vorab über eine softwarebasierte Diagnostik erfasst. Die Software soll so vorausschauend diagnostizieren, welche Schwierigkeiten die Personen bei unterschiedlichen Arbeitsprozessen haben. Auf dieser Basis können über das System individualisierte Hinweise gegeben werden, um die Beschäftigten gezielt und motivierend zu unterstützen. „Damit bietet die Avikom-Brille eine ausgezeichnete Möglichkeit, technische Unterstützung an die Bedürfnisse der Beschäftigten individuell anzupassen“, erklärt Prof. Dr. Günter Maier von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft. Er ist mit seiner Forschungsgruppe „Arbeits- und Organisationspsychologie“ an dem Projekt beteiligt.

Plattform für AR

Die Forscher kombinieren Text und Audio. Über einen Kopfhörer und Mikrofon kann das Avikom-System ähnlich wie ein Navigationssystem mit der Nutzerin oder dem Nutzer sprechen. „Auch können sich Beschäftigte in lauten Produktionszonen über das Gerät miteinander unterhalten, ohne dass sie der Umgebungslärm stört“, versichert Prof. Dr. Joachim Waßmuth vom Instituts für Systemdynamik und Mechatronik (ISyM) der Fachhochschule Bielefeld. „Dafür ist das System mit einem intelligenten Verfahren zur Störschallunterdrückung ausgestattet“.

Doch wie bringen kleine und mittelständische Unternehmen AR in den Maschinenbaualltag? „Ob Videospiel oder Vertriebsunterstützung – Augmented Reality ist in vielen Bereichen bereits erfolgreich im Einsatz. Besonders kleine und mittlere Betriebe profitieren derzeit aber wenig von den Möglichkeiten, da der Entwicklungsaufwand sehr hoch ist. Unsere AcRoSS-Plattform ist eine Möglichkeit, diese Aufwände zu reduzieren. Wir zeigen spannende Potenziale für zusätzliche Dienste und Geschäftsmodelle mit AR auf“, erläutert Daniel Röltgen, AcRoSS-Projektleiter vom Fraunhofer IEM. Die Grundidee: Aus fertigen Bausteinen können Unternehmen individuelle Augmented Reality-Lösungen und Services erstellen und sie sogar über die Plattform betreiben.

Sowohl die Reparatur- als auch die Montageanleitungen stellen sogenannte Smart Services (Datenbasierte Dienste) dar. Über die AcRoSS-Plattform könnten die Services mit verschiedenen vorgefertigten Augmented Reality-Bausteinen wie Positionserkennung oder Gestensteuerung zusammengesetzt werden. Kommunikation und Datenübertragung erfolgen zentral über die Plattform-Software. In Betrieben, wo kostspielige und aufwendige Eigenentwicklungen nicht möglich sind, könnte die Plattform also einen einfachen Zugang zur Technologie Augmented Reality eröffnen.