Allein 2024 kamen 542.000 neue Maschinen hinzu – mehr als doppelt so viele wie 2014. Parallel dazu wuchs der Markt für Service-Roboter, die in Logistik, Medizin und Gastgewerbe eingesetzt werden, um weitere neun Prozent. Allen Unkenrufen zum Trotz ist Deutschland einer der wichtigsten Robotikstandorte – und doch steht die Industrie an einem Scheideweg. Denn der nächste große Innovationssprung entsteht jetzt. Und zwar nicht wie bisher allein durch immer bessere mechanische Präzision, sondern durch intelligente Systeme, die eigenständig sehen, hören, reagieren, fühlen und lernen können. Heißt: KI wird zur Seele respektive neuen Betriebssystem der neuen Robotergeneration. Die Konkurrenz ist riesig, und China hat die Nase vorn. Davon habe ich mich im Sommer auf einer Delegationsreise von unserer Community DUP UNTERNEHMER selbst überzeugt. Roboter werden immer humanoider.

KI als Motor einer neuen Robotik-Ära

Besonders die sogenannten „Service Robots“ – also Maschinen, die außerhalb der klassischen Industrie eingesetzt werden – profitieren von den jüngsten Fortschritten im maschinellen Lernen. Ob mobile Transportroboter in Lagerhallen, Reinigungsroboter in Flughäfen oder Operationsroboter in Krankenhäusern: Wo Menschen fehlen oder Präzision zählt, übernehmen immer häufiger intelligente Systeme Aufgaben. Vor ein paar Jahren war das noch undenkbar.

„Wir sehen eine starke Nachfrage in nahezu allen Bereichen“, sagt IFR-Präsident Takayuki Ito. Besonders gefragt sind auch Transport- und Logistikroboter, deren Absatz 2024 um 14 Prozent auf mehr als 100.000 Einheiten gestiegen ist. Medizinische Roboter verzeichnen laut IFR sogar einen Rekordzuwachs von 91 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Robotik ist damit kein Nischenthema mehr, sondern ein Schlüsselfaktor für Produktivität, Gesundheit und gesellschaftlichen Fortschritt.

Doch während China seinen Marktanteil ausbaut und bereits mehr als die Hälfte aller neuen Roboter weltweit installiert, kämpft Europa darum, technologisch Schritt zu halten. In Deutschland wurden 2024 rund 27.000 neue Industrieroboter in Betrieb genommen – das zweitbeste Ergebnis der Geschichte, aber auch ein Beleg für wachsenden Wettbewerbsdruck.

Made in Germany: Wenn Roboter denken lernen

Gerade jetzt zeigt sich, welche Innovationskraft in deutschen Unternehmen steckt. Neura Robotics aus Metzingen etwa gilt als Pionier im Bereich der „cognitive robotics“. Das junge Unternehmen setzt auf einen Gegenentwurf zu rein mechanischen Lösungen, baut also gezielt KI-Modelle, die sich an menschlicher Wahrnehmung orientieren: Die Roboter können ihre Umgebung wahrnehmen, Menschen erkennen, Bewegungen vorausahnen – und eigenständig lernen. „Unsere Systeme sehen, hören, fühlen und verstehen die Welt in Echtzeit“, sagte mir Gründer und CEO David Reger auf unserem BIG BANG KI FESTIVAL im September in Berlin.

2025 übernahm das deutsche Robotik-Start-up den mobilen Robotik-Spezialisten ek robotics – ein strategischer Schritt, um stationäre und mobile Systeme zu verbinden. Das Ziel: Roboter sollen nicht nur Aufgaben ausführen, sondern auch mit Menschen interagieren. Dafür erhielt das Unternehmen unter anderem den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie "Rising Star" sowie den „Made in Europe – Award for Excellence“ – Auszeichnungen, die zeigen, welches Potenzial in der deutschen Robotik steckt, wenn Mechanik und KI tatsächlich Hand in Hand gehen.

Ein weiteres Beispiel ist die United Robotics Group (URG) aus Stuhr in Niedersachsen. URG bündelt acht europäische Robotikfirmen und hat sich auf Serviceroboter in Pflege, Logistik und Hospitality spezialisiert. Die humanoiden Systeme – etwa „uMe“, „uLog“ oder „uServ“ – sind darauf ausgelegt, mit Menschen zu interagieren, anstatt sie zu ersetzen. „Wir wollen Roboter schaffen, die sozial intelligent sind“, sagt URG-CEO Kerstin Wagner. Das Unternehmen war 2025 ebenfalls auf dem BIG BANG KI FESTIVAL vertreten – und zeigte dort eindrucksvoll, wie Künstliche Intelligenz Servicerobotern Beine macht.

Bei humanoiden Robotern stehen die Robotik-Firmen immer noch vor der größten Herausforderung, die menschliche Hand zu imitieren. Das erzählt kürzlich Elon Musk, der mit humanoider Robotertechnologie „Made by Tesla“ vorne mit dabei ist. Genauso wie Google, das gigantische Summen in Hände mit Gefühlen investiert. Wenn diese Nuss geknackt ist, wird die Welt eine andere sein. Dann können Robotern etwa Schrauben festdrehen, ohne zu überdrehen oder gefühlvoll handwerkliche komplizierte Aufgaben übernehmen.

Deutschland braucht eine neue Robotik-Strategie

Deutschland ist im globalen Wettbewerb noch nicht abgehängt. Die neuen Wege müssen aber konsequent weitergegangen werden – nachlassen ist verboten. Während Asien in Masse produziert, kann Europas Stärke in der kognitiven Robotik liegen. Sprich: in der Kombination aus hochwertiger Ingenieurskunst, Datensouveränität und KI-getriebener Systemintelligenz. Dafür braucht es allerdings klare politische Leitplanken, Investitionen in Ausbildung und eine engere Zusammenarbeit zwischen Forschung, Mittelstand und Start-ups.

Erste Hochschulen reagieren bereits. So offeriert die Universität Magdeburg jetzt einen neuen Studiengang für KI und Wirtschaft, der gezielt Kompetenzen für die Industrie 5.0 vermittelt. Solche Programme sind entscheidend für die nächste Generation von Robotikingenieurinnen und -ingenieuren – Menschen, die Technik, KI und Ethik gleichermaßen verstehen.

Bühne der Zukunft

Auf unserem BIG BANG KI FESTIVAL war es verblüffend zu sehen, wie nahe wir der Zukunft bereits sind. United Robotics oder Neura Robotics präsentierten als Robotikunternehmen brandneue Entwicklungen – etwa autonome Pflegeassistenten oder lernfähige Logistiksysteme.

Es ist verrückt, wie stark das Interesse an konkreten KI-Anwendungen wächst: Unternehmen verstehen, dass KI und Robotik zusammengehören. Gefragt sind nicht Visionen, sondern ganz pragmatische Lösungen - also nach Robotern, die Produktionsprozesse, Dienstleistungen oder Serviceangebote intelligent unterstützen. Hier schlummern gigantische Produktivitätsfortschritte. Die Qualität der Verzahnung von KI und Robotik wird den Ausschlag geben für unsere Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten zehn Jahren.

Die neue Formel für Wettbewerbsfähigkeit

Wir stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung: Wenn Künstliche Intelligenz umfassend als Turbo für Automatisierung in der realen Welt eingesetzt wird, entsteht enormes Potenzial in punkto Wirtschaftlichkeit. Voraussetzung dafür sind Plattformstrategien, offene Schnittstellen, Investitionen in Dateninfrastruktur - und der Mut, Roboter zur Chefsache zu machen.

KI-basierte Robotik ist kein ferner Zukunftstraum mehr. Sie passiert – in Laboren, auf Messen, in Fabriken und in Pflegeeinrichtungen. Und sie entscheidet darüber, ob Deutschland technologisch führt oder nur folgt.