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Über die Studie und das Potential von Wasserstoff für die maritime Wirtschaft haben wir mit Dr. Leo Diehl, Project Manager & Consultant, Ludwig-Bölkow-Systemstechnik GmbH (LBST) gesprochen.

Laut Ihrer Studie wird der Wasserstoff-Bedarf in der maritimen Wirtschaft auf 3,5 Millionen Tonnen jährlich geschätzt. Welche Hauptanwendungsgebiete in der maritimen Branche treiben diese Nachfrage an?

LD: Die Nachfrage wird durch die Hochseeschifffahrt und damit die Anwendung als Treibstoff dominiert. Hier werden aufgrund der hohen Leistungsanforderungen vor allem Derivate, z. B. Methanol oder Ammoniak auf Basis von erneuerbarem Wasserstoff, eingesetzt. Zur Veranschaulichung, Tank- bzw. Frachtschiffe haben hier typischerweise einen nominalen Leistungsbedarf zwischen 6 und 12 MW. Mit großem Abstand folgt die Binnenschifffahrt, welche langfristig, also bis 2045, etwa 100.000 Tonnen Wasserstoff einsetzen könnte. Aufgrund des größeren Synergiepotenzials, insbesondere entlang des Rheins, könnte die Binnenschifffahrt bereits mittelfristig, also bis Anfang der 2030iger, größere Mengen nutzen. Außerdem werden im Gegensatz zur Hochseeschifffahrt hier Druckwasserstoff und Brennstoffzellen eine größere Rolle einnehmen. Unsere Analysen haben auch gezeigt, dass über viele kleinere Anwendungen, wie zum Beispiel Dunkelstrahler oder Gabelstapler, die sehr heterogene maritime Branche großes Wertschöpfungspotenzial über die Bedienung der schieren Menge hinaus hat.

Wie sehen Sie das Potenzial von Wasserstoff als alternative Energiequelle für die maritime Wirtschaft im Vergleich zu anderen grünen Technologien?

LD: Wie bereits erwähnt, sind in Bereichen der extrem hohen Leistungsdichten für Hochseemotoren Wasserstoff und seine Derivate quasi alternativlos. Im Bereich der kleineren Anwendungen hängt viel vom Synergiepotenzial der jeweiligen Umgebung ab. Da sich Häfen aber beispielsweise als Energiehubs positionieren werden und der Wasserstoff hier letztlich allgegenwärtig sein wird, glauben wir an ein hohes Synergiepotenzial und somit Vorteile gegenüber anderen grünen Technologien. In jedem Fall wird Wasserstoff eine signifikante Rolle neben der direkten Stromnetzanbindung oder reinen Batterielösungen einnehmen können und müssen.

Welche Herausforderungen sind zu bewältigen, um die vollständige Integration von Wasserstoff in den maritimen Sektor zu erreichen?

LD: Technisch kann man sehr optimistisch sein. Hier sind auf Seiten der Anwendbarkeit keine großen Herausforderungen bzw. „Roadblocks“ mehr zu identifizieren. Herausfordernd sind die Rahmenbedingungen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen für den maritimen Sektor und damit der Mut zu einer koordinierten Entscheidung für einen Technologiepfad und für den Betrieb mit Wasserstoff und Derivaten fehlen noch. Weitere wesentliche Rahmenbedingung für die Umstellung auf H2-Technologien sind die Investitions- und Planungssicherheit, die zum Beispiel durch verbindliche CO2-Minderungsziele geschaffen werden können. Funktionierende Business Cases und die Verfügbarkeit von H2-Technologien sowie Kraftstoffen sind wesentliche Bausteine. Vor allem durch den Hochlauf und die breite Markteinführung werden sich die Kosten für H2-Technologien und erneuerbare Kraftstoffe reduzieren.

Welche Erfolge gibt es schon beim Einsatz von Wasserstoff in der maritimen Branche?

LD: Wasserstoff in Form seines Derivates Methanol nimmt eine zunehmende Rolle bei Neubestellungen der großen Reedereien ein. Sowohl Maersk als auch Hapag Lloyd haben offiziell bekannt gegeben, mit Methanol betriebene Containerschiffe zu bestellen, beziehungsweise bestellt zu haben. Außerdem sind beispielsweise die Aktivitäten des enerPort II-Projekts oder am Hamburger Hafen am Tollerort Terminal erwähnenswert. Sogar die Bodenseeschifffahrt denkt aktiv über den kommerziellen Einsatz von Wasserstoffschiffen nach.

Welche innovativen Ansätze oder Technologien werden derzeit entwickelt, um den Wasserstoff-Bedarf der maritimen Industrie zu decken?

LD: Innovative Lösungen entwickeln sich durch Zusammenarbeit zum Beispiel der deutschen Zulieferer mit den Schiffbauern. Um beispielsweise in der Kreuzfahrtbranche eine schnelle Dekarbonisierung zu erreichen, bieten Brennstoffzellensysteme in Kombination mit Batterien eine systemisch optimierte Gesamtlösung, die in ihrer Aussteuerung für einen Schiffsantrieb absolutes Neuland sind. Hierzu kooperieren beispielsweise Freudenberg, mit ihren Brennstoffzellen, und die Meyer Werft.

Welche Auswirkungen wird die erhöhte Nutzung von Wasserstoff in der maritimen Wirtschaft auf die Umwelt und den CO2-Fußabdruck haben?

LD: 90% der Güter werden heute über den Seeweg transportiert. Ohne die erfolgreiche Dekarbonisierung dieses Sektors kann die Energiewende nicht gelingen. Auch wenn wir die Umweltauswirkungen in dieser Studie nicht explizit betrachtet haben, wissen wir aus anderen Analysen, dass der Einsatz von grünem, d. h. aus erneuerbarem Strom gewonnenem, Wasserstoff den CO2-Fußabdruck entscheidend reduziert. Wie in anderen sogenannten „hard-to-abate“ Sektoren (wortwörtlich: „schwer zu mindern“), ist grüner Wasserstoff auch in der maritimen Branche ein zentraler Baustein für die vollständige Dekarbonisierung. Aufgrund der insgesamt etwas kleineren Materialintensität von Wasserstofftechnologien, beispielsweise gegenüber Batterietechnologien, sind auch weitere Umweltauswirkungen positiver zu bewerten.

Wie sieht die Infrastruktur für die Wasserstoffversorgung in Häfen und entlang von maritimen Routen aus und welche Investitionen sind erforderlich, um sie auszubauen?

LD: Keine Frage, der Umstieg auf Wasserstoff erfordert große Investitionen. Der Einsatz von Derivaten, wie Methanol, erzwingt in jedem Fall eine Änderung der Bunkerstrategien, das heißt die Betankung von Schiffen. Dies bedeutet, dass Häfen, die heute eigentlich keine bzw. nur eine begrenzte Bunkerinfrastruktur besitzen, diese auf- bzw. ausbauen müssen. Ob und welche Häfen das in Deutschland betrifft, müssen aber weitere Untersuchungen zeigen. Das positive Beispiel vom Einsatz von LNG hat in der Vergangenheit jedoch gezeigt, dass eine Technologieentscheidung in Europa zu einem „Nachziehen“ der relevanten Akteure entlang der Handelsrouten bis nach Ostasien und in Amerika führt.

Auch im Binnenschifffahrtsbereich muss die Bunkerstrategie angepasst werden. Gerade entlang des Rheins, mit seinen vielen chemischen Zentren und urbanen Gebieten, sind jedoch relativ viele gute Synergieansätze zu finden. Insbesondere beim weiteren Auf- und Ausbau einer Infrastruktur für Druckwasserstoff können Häfen zu zentralen „Hubs“ werden, sowohl hafenseitig für die Bebunkerung von Schiffen und der Betankung von Umschlaggeräten als auch landseitig für die Betankung von Lkws, Zügen, Bussen und Pkws.

Welche Rolle spielen internationale Kooperationen und politische Rahmenbedingungen bei der Förderung der Wasserstoff-Nutzung in der maritimen Industrie?

LD: Wie bereits erwähnt, der regulatorische Rahmen ist für eine Branche, die im starken Wettbewerb steht, essenziell, um eine solche Transformation zu stemmen. Dabei spielt für eine Branche, die, wie kaum eine andere, für internationalen Austausch steht, natürlich die weltweite Kooperation eine wesentliche Rolle.

Die kürzlich getroffene Entscheidung zur Klimaneutralität der Schifffahrt „bis um 2050“ der IMO (Internationale Maritime Organisation), aber auch die Vorgaben der EU durch FuelEU Maritime, senden wichtige positive Signale. Eine selbstbewusste deutsche Industrie sollte sich ihrer Hebel bewusst werden und eine globale Dekarbonisierung auch in der maritimen Branche anstreben. So ergeben sich neue Wertschöpfungspotenziale im Bereich der Antriebstechnik durch Brennstoffzellen und Motoren, aber auch der Erhalt von Know-How, beispielsweise zu energetisch optimierten Bugdesigns oder Schiffsschrauben, wäre so gesichert.

Die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST) ist ein Beratungsunternehmen für nachhaltige Energieversorgung und Mobilität. Mit unserer Expertise in Technologien, Märkten und Politik unterstützen wir internationale Kunden aus Industrie, Finanzsektor, Politik und Verbänden bei Fragen zu Strategien, Machbarkeit und Märkten. Große Unternehmen vertrauen den zuverlässigen Einschätzungen der LBST. Vier Jahrzehnte kontinuierlicher Erfahrung des interdisziplinären Teams renommierter Experten bilden die Basis der umfassenden Kompetenz der LBST.

Über Energiekonzepte und technische Analysen beschäftigt sich die LBST schon seit über 10 Jahren mit dem Thema Wasserstoff im Bereich der maritimen Branche.