Wir verkaufen kein Betriebssystem
Ralf W. Dieter ist Vorstandsvorsitzender der Dürr AG und erklärt im Interview, warum Plattformen für KI-Entwicklungen entscheidend sind, warum die Cloud an Anziehungskraft verliert und wie die Komplexität der Maschinen in Zukunft gemanagt werden soll.
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Plattformen sind ein heiß diskutiertes Thema in der Industrie – Dürr ist bei Adamos engagiert. Wie unterscheidet sich Adamos zu Wettbewerbern?
Uns geht es weniger um das Thema Plattform und das Geschäftsmodell hinter den Plattformen. Unsere Idee ist die Kooperation im Maschinenbau bei den Themen Industrie 4.0 und IIoT.
Wie überzeugen Sie einen Mittelständler mitzumachen?
Wir tauschen Wissen offen aus. Wir als große Maschinenbauer haben die Verantwortung, unsere mittleren und kleinen Partner mitzunehmen. Wir vermitteln Wissen, wir entwickeln gemeinsam Lösungen und bieten Orientierung in der Digitalisierung.
Das kann ein Verband auch …
Ja, aber wir müssen daraus in kürzester Zeit auch Anwendungen für unsere Kunden entwickeln. Wir arbeiten nicht nur konzeptionell, sondern wir müssen liefern.
Das bedeutet auch Standards?
Wir arbeiten daran, unsere Anwendungen untereinander zu standardisieren, um den Austausch zu vereinfachen. Klar ist aber auch: Beim Kommunikationsstandard OPC UA beispielsweise sind die Verbände wie der VDMA gefordert.
Auf der HANNOVER MESSE stehen KI und Machine Learning dieses Jahr im Mittelpunkt. Vielen kleinen Unternehmen fällt es schwer, KI-Projekte anzuschieben. Braucht die Industrie Entwicklungsplattformen für KI?
Sepp Hochreiter von Linz Institute of Technology hat das gefordert und ich stimme ihm da voll zu. Unsere Ingenieure haben beispielsweise eine Anwendung mit KI-Elementen entwickelt, bei der der Lackierroboter sofort erkennt, wenn das Fahrzeug falsch lackiert wird. Wir analysieren zum Beispiel in Echtzeit die Farbdosierpumpe und den Luftdruck und erkennen dann sofort Anomalien bei der Farbmenge. So werden Qualitätsprobleme direkt in der Fertigung festgestellt. Diese Applikation teilen wir mit anderen Unternehmen. Das könnte ein kleiner Maschinenbauer mit drei Mitarbeitern in der Entwicklung nie leisten.
Sie neutralisieren die Anwendung?
Genau und stellen sie den ADAMOS-Mitgliedern zur Verfügung.
Zurück zur Plattform – Kollaboration ist wichtig. Doch die Cloud zum Datenaustausch kämpft mit Vorurteilen und die Mehrzahl setzt weiter auf Edge-Anwendungen. Was ist da los?
Ich glaube, wir haben das Thema Cloud jahrelang falsch kommuniziert. Die großen Infrastrukturanbieter sind dafür verantwortlich und müssen erklären, wo die Daten sind, was damit getan wird. Wir erleben eine große Skepsis gegenüber Cloud-An-wendungen. Das Edge-Computing gewinnt an Bedeutung, das stimmt. Dazu kommt: In der jüngeren Vergangenheit wurde Big Data gehypt. Heute brauchen wir zur Problemerkennung oder Performance-Steigerung aber nur wenige Daten. Dafür reicht die Edge aus. Diese Lernkurve machen gerade viele Maschinenbauer.
Alle Plattformen werben um Mitglieder. Doch die Anwender wollen sich nicht abhängig machen. Verstehen Sie das?
Klar ist: Es wird auch in Zukunft nicht nur eine Plattform geben. Wir haben einen großen Kunden, der engagiert sich in einer Wettbewerbsplattform, aber trotzdem unterstützen wir die Anwendungen und sind weiter Lieferant. Wenn der Kunde von uns fordert, dass wir bestimmte Standards aus der Plattform XY erfüllen müssen, dann tun wir das. ADAMOS ist eine offene Plattform. Es geht darum, voneinander zu lernen. Wir werden keine Betriebssysteme verkaufen, denn darauf reagieren Mittelständler allergisch.
Nonprofit?
Die Plattform muss sich tragen. Geld verdienen wir nicht mit der Plattform, sondern durch den Verkauf von Applikationen.
Wie werden deutsche Plattformen international wahrgenommen?
Wir haben das Rennen im B2C-Internetmarkt verloren. Im B2B-Markt noch nicht. Da schauen die US-Konzerne und chinesische Wettbewerber genau auf uns. Vor allem chinesische Unternehmen wollen Teil der Plattform sein. Das Interesse liegt dort aber vor allem auf der Applikationsebene.
Was sind für Sie persönlich die drei wichtigsten Themen in den nächsten fünf Jahren?
Generell: die Digitalisierung unserer Arbeit, unserer Prozesse – im Management, in der Fertigung und bei unseren Kunden. Dann kommt an zweiter Stelle die Frage: Wie bleiben wir erfolgreich in China, wie entwickelt sich der Markt dort? Das dritte Thema ist der Generationswechsel im Unternehmen. Ich meine damit nicht nur die Führungsfunktionen. Die Einstellungen und Forderungen von jungen Menschen gegenüber den Unternehmen haben sich komplett verändert. Wir erleben ein Spannungsfeld zwischen westeuropäischen Fachkräften, die flexible Arbeitsmodelle verlangen, und beispielsweise koreanischen Kollegen, die sich immer weiter verbessern wollen und an die Spitze streben.
Zurück zur Technik – was macht den Unterschied in einigen Jahren aus?
Die Hardware ist nahezu ausgereizt. Da kommen bei manchen Anwendungen noch ein paar wenige Prozente raus, aber den Unterschied machen die Software, die Usability und die User Experience. Wir brauchen gute Bedienoberflächen, um die Komplexität vom User wegzunehmen – in Industrienationen und in aufstrebenden Märkten. Bei dem Thema werden wir in Europa noch viel zu tun haben.
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