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Hannover/Jülich. Was haben Herzen mit Neutronenbremsen zu tun? Ein Blick nach Lund im südlichen Schweden bietet die Antwort. Dort wird die Europäische Spallationsneutronenquelle (ESS) gebaut. Mit einem Investitionsvolumen von 1,85 Milliarden Euro gilt die ESS als eines der größten Forschungsinfrastrukturprojekte in Europa. Der deutsche Anteil an der ESS beläuft sich auf etwa 190 Millionen Euro und wird vom Forschungszentrum Jülich koordiniert.

Ein Neutronenstrahl mit starker Intensität lässt sich auf zwei Wegen erzeugen: durch Kernspaltung oder mittels Spallation. Das Besondere beim letzteren ist, dass der Neutronenstrahl eine höhere Energiedichte und somit eine höhere Intensität aufweist, aber insbesondere, dass dieser gepulst ist, wodurch zeitauflösende Messungen möglich sind.

Das Herz einer Spallationsquelle bildet neben einem Protonenbeschleuniger und dem Target ein kalter Moderator. Der Protonenbeschleuniger beschleunigt Salven von Protonen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit und lenkt sie auf die Atomkerne des Targets. Der Aufprall selbst löst zwar nur einige wenige Neutronen direkt heraus, regt aber die Atomkerne an, sodass pro Kern 20 bis 30 nutzbare Neutronen freigesetzt werden. Weil die freien Neutronen viel zu schnell und energiereich für Experimente sind, müssen diese abgebremst werden. Aber wie? Die Geschwindigkeit der vom Target kommenden Neutronen muss von etwa 20 000 Kilometern pro Sekunde auf weniger als 0,5 Kilometer pro Sekunde entschleunigt werden.

Um diese Herausforderung zu überwinden, haben Wissenschaftler und Ingenieure am Forschungszentrum Jülich einen para-Wasserstoff gefüllten Moderator aus einer hochfesten Aluminiumlegierung entwickelt. Dieser Druckbehälter – bekannt als das kalte Herz – wird bei -250°C und 10 bar Druck betrieben und führt gleichzeitig rund 4 000 Watt Strahlungswärme ab. Dieses relativ kleine Element bestimmt unter anderem die Qualität des Neutronenstrahls. Immer zwei Herzen bilden zusammen mit einer Kühlstruktur eine Einheit und bremsen die Neutronen vor Eintritt in die Strahllinie und für die Experimente ab.

"Neutronenforschung an einer solch leistungsfähigen Quelle bietet eine einzigartige Möglichkeit zur Erforschung von neuen Materialien und biologischen Prozessen", erklärt Prof. Dr. S. M. Schmidt, Mitglied des Vorstands des Forschungszentrums Jülich. "Durch seine jahrzehntelange Expertise trägt Jülich als Koordinator der deutschen Beiträge maßgeblich zum Gelingen eines der größten europäischen Forschungsprojekte bei."

Das Forschungszentrum Jülich zeigt sein "Schwedenprojekt" auf der HANNOVER MESSE 2019 in Halle 2 (B30) auf dem Gemeinschaftsstand Nordrhein-Westfalen. Schweden ist Partnerland der HANNOVER MESSE 2019.

Über die ESS

Die Europäische Spallationsquelle (ESS) ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an dem 17 Länder beteiligt sind. Sie wird mit einer mittleren Strahlleistung von 5 MW die weltweit leistungsstärkste Neutronenquelle sein. Ansässig in Lund, Schweden, enthält die Anlage den kraftvollsten Linearprotonenbeschleuniger, der je gebaut wurde, sowie ein 5 000-Kilogramm heliumgekühltes Wolfram-Zielrad, 22 hochmoderne Neutroneninstrumente und eine Reihe von Laboratorien. Die ESS eröffnet Forschern neue Möglichkeiten in Bereichen wie Materialforschung, Lebenswissenschaften, Energie, Umwelttechnologie sowie grundlegender Physik.