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"Der große Bruder Dieselbus" hat in Braunschweig leise Konkurrenz bekommen: Bereits seit einigen Wochen summt ein induktiv geladener E-Bus auf einer der meistbefahrenen Linien der ostniedersächsischen Stadt, der M19. Weitere 18 Meter lange Elektro-Gelenkbusse sollen im Frühjahr 2015 auf die 12,6 Kilometer lange Rundstrecke geschickt werden. An drei der insgesamt 25 Haltestellen sorgen in der Fahrbahn installierte Induktions-Spulen für ausreichend Strom. Die Aufladungszeit ist extrem kurz: Am Hauptbahnhof sollen die großen E-Busse in Zukunft in knapp acht Minuten komplett geladen sein, an den beiden weiteren Stationen reichen rund 25 Sekunden Aufenthalt, um den E-Bus mit genügend Strom weiterlenken zu können.

"Wir wollten ganz bewusst keine Teststrecke, sondern wir wollen die Elektromobilität in unser bestehendes kommunales Verkehrsangebot voll integrieren", erläutert Christopher Graffam, Pressesprecher der stadteigenen Braunschweiger Verkehrs-GmbH . "Unsere neuen E-Busse leisten durch das induktive Ladesystem das Gleiche wie die Dieselbusse", unterstreicht Graffam, "zwar müssen wir noch abwarten, wie teuer der Betrieb am Ende tatsächlich sein wird, aber ich denke, dass wir in der Unterhaltung günstiger sein werden als mit den bisherigen Dieselantrieben." Angesichts dieser Perspektiven sind sogar Verkehrsexperten aus Bogota, Istanbul und indischer Großstädte hellhörig geworden. Sie besuchen Braunschweig, um das technische Pionier-Konzept kennenzulernen und hoffen, dass es eine technische Lösung für ihre am Verkehr wortwörtlich erstickenden Städte geben könnte.

Nicht alle deutschen Kommunen gehen mit der Elektromobilität bereits so in die Offensive wie die Braunschweiger, aber ihre Bedeutung sehen die kommunalen Spitzenverbände. So bekräftigt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages , Dr. Stephan Articus, "dass die Städte eine nachhaltige und ressourcenschonende Mobilität voranbringen wollen. Sie unterstützen deshalb die Bemühungen der Bundesregierung, die Zahl der Elektrofahrzeuge zu erhöhen." Im September verabschiedete die schwarz-rote Koalition in Berlin das Elektromobilitätsgesetz (EmoG), das die Kommunen bei der Weiterentwicklung der Elektromobilität unterstützen soll. Nicht zuletzt auch deshalb, um "die Luftreinhaltung zu gewährleisten", die bekanntlich in vielen Städten über die erlaubten Grenzwerte zu steigen drohen. Zudem wolle man, so Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, mit dem EmoG die Grundlage schaffen, "dass alternative Mobilitätsformen in der Stadtentwicklung besser berücksichtigt werden können."

Um das Ziel der Bundesregierung "eine Million Elektroautos bis 2020" zu erreichen, sind weitere Schritte nötig.

Das Geld lauert nicht hinter der nächsten Tür

Das hat handfeste Gründe. Dies meint zumindest Hans-Joachim Reck vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). "Wenngleich ich zahlreiche Aktivitäten bei unseren Mitgliedern beobachte, so fehlt es doch aufgrund der hohen Investitionskosten noch an tragfähigen Geschäftsmodellen", so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes. "Bisher ist man bei der Elektromobilität zu sehr auf den Verkauf der Kilowattstunde fixiert. Die Kilowattstunde wird aber als Basis der Wertschöpfung im gesamten Energiesystem zunehmend uninteressanter. In Zukunft muss daher der Fokus mehr auf die Dienstleistung gerichtet sein. Mobilität stellt einen Wert dar, den es nicht zum Nulltarif geben wird." Reck verweist auf die hohen Kosten für Ladestationen, die zwischen 8.000 und 15.000 Euro liegen. Insofern ist für ihn der Aufbau einer Ladeinfrastruktur nicht nur eine Angelegenheit der öffentlichen Hand bzw. kommunaler Unternehmen, sondern auch privater Unternehmen wie dem Lebensmitteleinzelhandel. Dennoch, so Reck weiter, "übernehmen Stadtwerke schon jetzt gerne den Aufbau und den Betrieb von Ladeinfrastruktur im Auftrag privater Anbieter". Auch Sebastian Dix, Unternehmenssprecher vom Stadtwerk am See in Friedrichshafen, Überlingen und der Region sieht kurz- und mittelfristig für sein Unternehmen keine Perspektiven, mit der Elektromobilität Einkommen zu verdienen. "Das Geld lauert in diesem Bereich nicht hinter der nächsten Tür", meint Dix. Dennoch engagiert sich das Stadtwerk am See seit geraumer Zeit in der Elektromobilität. So hat man eine Reihe von E-Bike-Ladestationen und zwei Auto-Ladestellen eingerichtet. Zudem erhält jeder, der in der Kommune ein E-Bike erwirbt, eine einmalige Förderung. "Wir behandeln die Elektromobilität derzeit noch als Servicethema, mit der Chance, dies irgendwann einmal im Zuge eines intelligenteren Netzes und eines Stromtankstellennetzes auch wirtschaftlich betreiben zu können", so Dix.

Eine solche Haltung seitens der Kommunen reicht dem Präsidenten des Bundesverbandes eMobilität (BEM) nicht. "Die Kommunen haben eine Schlüsselfunktion für die Weiterentwicklung der Elektromobilität", unterstreicht Kurt Sigl die Vorreiterrolle der Städte und Gemeinden. Das Lamento, das sich elektromobile Verkehrskonzepte gegenwärtig noch nicht rechnen würden, hält er für eine faule Ausrede. Ganz im Gegenteil: Er ist der festen Überzeugung, dass sich das "Engagement der Kommunen in die Elektromobilität heute schon rechnet." Entscheidend für den BEM-Präsidenten ist allerdings, dass in den Stadtkämmereien "endlich angefangen wird, Mobilität insgesamt anders zu denken". Diese Kritik trifft die Braunschweiger E-Bus-Protagonisten sicherlich nicht.

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