Industrie schöpft KWK-Potenzial noch nicht aus
Nach einer vom BMWi veröffentlichten Prognos-Studie ist eine KWK-Stromerzeugung von ingesamt 170 TWh bis 240 TWh möglich. Allein in der Industrie könne sie bis 2030 um 50 Prozent auf 43 TWh zunehmen.
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"Die relativ guten Rentabilitäten der verschiedenen BHKW-Leistungen sind sehr günstig für die weitere Diffusion der KWK-Anwendung in denjenigen Branchen, die ein hohes Wachstumspotenzial haben", so Prognos. Im Fahrzeug- und Maschinenbau und anderen "neuen" Anwenderbranchen sei die Kenntnis über die Vorteile der KWK oder auch KWKK allerdings "wenig verbreitet".
Zurzeit arbeiten die meisten Blockheizkraftwerke noch mit fossilen Energieträgern, vor allem Erdgas. Die Entwicklung effektiver Strom- und Wärmespeicher aber macht die KWK zunehmend zum Partner der Erneuerbaren Energien. Für das Gelingen der Energiewende kann auch der Zusammenschluss von regenerativen und/oder KWK-Anlagen eine Rolle spielen. Wulf Binde, Geschäftsführer des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK), misst diesen Virtuellen Kraftwerken (VK) große Bedeutung zu. "Durch die Bündelung in VK kann eine stromorientierte Fahrweise von KWK-Anlagen realisiert werden", so Binde. "Wenn Strom im Netz benötigt wird und die Wärme der KWK-Anlagen genutzt oder eingespeichert werden kann, können die Anlagen gemeinsam zur Stromproduktion aufgerufen werden." Bei zu hoher Einspeisung würden die Anlagen gedrosselt oder abgefahren und die Wärmeverbraucher aus den Speichern versorgt.
Laut Sabine Gores vom Öko-Institut steigt der Absatz an fossilen BHKW seit Jahren "kontinuierlich, aber nicht explosiv". Gedämpft wird die Entwicklung u.a. durch die anteilige Belastung des selbst genutzten Stroms seit der EEG-Novelle 2014. Für Anlagen der Objektversorgung und der Industrie hängt die Wirtschaftlichkeit stark von der Stromeigennutzungsquote und den Strombezugskosten ab, wie Prognos feststellt. Die oft von Strom- und Energiesteuer und der EEG-Umlage befreiten energieintensiven Unternehmen wiederum beziehen den Strom so günstig, dass sich Investitionen in größere KWK-Anlagen kaum rentieren.
Heinz Ullrich Brosziewski, Vizepräsident des B.KWK, fordert ein Umdenken in der Industrie: "Kapitalrückflusszeiten von zwei Jahren gibt es in diesem Bereich praktisch nicht. Die Regel ist, dass man schon zwischen vier und sieben Jahren braucht, bis man die klassische statische Amortisation einer vernünftigen hocheffizienten KWK-Anlage durchlaufen hat."
Ein Trend, der sich in der Industrie schon abzeichnet, ist dagegen die Nutzung von Abwärme zur Stromerzeugung – Prognos schätzt deren Potenzial auf 0,7 TWh bis 1,5 TWh pro Jahr. Der Vorteil: Die Umwandlung von Wärme über Dampfturbinen oder mit Hilfe der ORC-Technologie (Organic Rankine Cycle) macht Anlagenbetreiber unabhängiger vom Energiepreis. Dank hoher Nutzungsgrade von rund 90 Prozent – thermisch 60, elektrisch 30 Prozent – spart KWK Brennstoff und reduziert den CO2-Ausstoß. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung deshalb ein klares Ziel definiert: "Die rechtlichen und finanziellen Bedingungen für die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung wollen wir so gestalten, dass der KWK-Anteil bis 2020 auf 25 Prozent ausgebaut wird."
Wirtschafts- und energiepolitische Sprecher sämtlicher Bundestagsfraktionen bekannten sich auf dem B.KWK-Kongressin Berlin zum 25-Prozent-Ziel. Nur: Unter den aktuellen Bedingungen kann dieses gar nicht erreicht werden. In der KWK-Studie sagt Prognos gemeinsam mit Fraunhofer IFAM , Fraunhofer IREES und BHKW Consult voraus: "Unter Berücksichtigung der aktuellen Marktbedingungen wird die KWK-Stromerzeugung bis zum Jahr 2020 (…) gegenüber dem heutigen Stand stagnieren." Das Ziel von 25 Prozent KWK-Strom werde "deutlich verfehlt".
KWK hat aktuell mit rund 96 TWh einen Anteil von 16,2 Prozent an der Nettostromerzeugung in Deutschland. Gut die Hälfte davon entfällt auf Anlagen der allgemeinen Versorgung, knapp ein Drittel auf die Industrie. Der restliche KWK-Strom kommt aus biogenen KWK- und dezentralen Kleinanlagen. Um 25 Prozent zu erreichen, müsste die jährliche KWK-Stromerzeugung bis 2020 um 50 Mrd. kWh ausgebaut werden. Dazu wäre es laut Prognos nötig, die Förderung durch das KWK-Gesetz deutlich zu erhöhen – vor allem für ins Netz einspeisende Anlagen. "Unter der vereinfachten Annahme eines notwendigen KWK-Zuschlags von 4 bis 6 Ct/kWh ergibt sich als Orientierungswert im Jahr 2020 ein zusätzliches Fördervolumen von 2 bis 3 Mrd. Euro", so die Gutachter. Derzeit liegt die Mindestförderung für Anlagen über 2 MW bei 2,1 Ct/kWh.
Die Ergebnisse der Studie sollen in die 2015 geplante Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) einfließen. Zuvor will das BMWi laut Uwe Beckmeyer ein "Grünbuch" vorlegen, das die Ergebnisse der Debatte sowie verschiedene Studien zusammenfasst. Anschließend soll ein "Weißbuch" konkrete Maßnahmen vorschlagen.
Jetzt melden sich die die Interessenverbände zu Wort. B.KWK-Präsident Berthold Müller-Urlaub etwa fordert "eine angemessene Erhöhung der KWK-Förderung unter besonderer Berücksichtigung der Strommengen, die in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden." Das Marktumfeld entsprechender Anlagen habe sich durch erheblich gestiegene Einspeisung geförderter Erneuerbarer Energien sowie niedrige CO2-Zertifikatspreise verschlechtert.
"Die Effizienz von KWK-Anlagen und damit die CO2-Einsparung durch die gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung ist ein entscheidender Vorteil der KWK-Technologie, die deren besondere Förderung durch separate politische Zielsetzung und finanzielle Zuwendungen rechtfertigt", erklärt das Öko-Institut. In einem eigenen neuen Gutachten für das BMWi stellt es für das Jahr 2012 CO2-Einsparungen von fast 40 Mio. t gegenüber der ungekoppelten Erzeugung fest. Andere Institute sprechen von rund 56 Mio. t.
Immer mehr Freunde gewinnt auch die Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK). Denn angekoppelte Kältemaschinen lösen ein altes KWK-Problem: Wohin mit der Wärme im Sommer? KWKK verlängert nicht nur die Nutzungsdauer von Blockheizkraftwerken. Sie eignet sie sich auch für industrielle Prozesse mit parallelem Kälte- und Wärmebedarf. So recyceln Rechenzentren damit ihre selbst produzierte Wärme für die Serverkühlung.
Trendthemen der Energy
Virtuelle Kraftwerke und Speicher gehören vom 13. bis 17. April zu den Trendthemen der Energy. Die internationale Leitmesse für Energie und Umwelttechnologien im Rahmen der HANNOVER MESSE präsentiert neue Produkte und Dienstleistungen für die Transformation der Energiesysteme. Mit mehr als 40 Herstellern von KWK- und KWKK-Anlagen sowie Anbietern von Effizienzdienstleistungen (Contracting) ist der Gemeinschaftsstand "Dezentrale Energieversorgung" ein Highlight der Energy. Tägliche Podiumsdiskussionen beleuchten dort die wirtschaftlichen Potenziale Dezentraler Energieversorgung und deren politische Rahmenbedingungen. Idelle Unterstützer sind der ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie) sowie der Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK).
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