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Bei seiner Entstehung verbinden sich zwar keine Zellkerne, aber immerhin Ideen: Immer öfter bekommen physische Produkte einen digitalen Zwilling. Er wird mit der Produktidee geboren, dient bei der Fertigung als virtuelle Vorlage, wächst danach im Produktentstehungsprozess weiter mit und bleibt über den gesamten Lebenszyklus untrennbar mit ihm verbunden. Industrie 4.0, Automation, Big Data und das Internet der Dinge machen’s möglich.

Für die Industrie steckt in den digitalen Abbildern realer Produkte – vom Mikrochip bis zum Luxuskreuzfahrtschiff – ein riesiges Potenzial. Statt teurer Prototypen und langwieriger Versuchsketten lassen sich mit Digital Twins allerhand Szenarien innerhalb kürzester Zeit durchspielen, Lösungsstrategien entwickeln und verwerfen, Verbesserungsmöglichkeiten ausloten und umsetzen. So lassen sich etwa Services entwickeln und verkaufen, bevor sie der Kunde überhaupt nachfragt.

Altern auf Knopfdruck

Ein Beispiel: "Predictive Maintenance", vorausschauende Wartung. Dazu erfassen Sensoren an Maschinen im Einsatz laufend Kontrollwerte und schicken sie in die Cloud. Beim Hersteller laufen diese Daten zusammen und er errechnet Verschleißwerte, insbesondere Belastung oder Verbrauchszyklen. So können Wartungen frühzeitig beauftragt und teure Reparaturen vermieden werden.

Digital Twins heben dieses Verfahren auf ein neues Level. Denn die virtuellen Kopien der physischen Maschinen erlauben ein wesentlich besseres Verständnis der gesammelten Daten und eine viel genauere Vorhersage. Zeit etwa spielt in der digitalen Welt keine Rolle. Wenn nötig, simuliert der Computer einige tausend Betriebsstunden mehr oder ändert die Klimabedingungen des Einsatzortes.

Auf diese Art lassen sich nicht nur Vorhersagen treffen, wann Verschleißerscheinungen auftreten werden, sondern auch wie sie in verschiedenen Szenarien am schnellsten behoben werden können. So verknüpft etwa der Softwarehersteller SAP mit seinem "Asset Intelligence Network" Prozesse und Systeme auf Automatisierungsebene, zudem lässt sich jedes Gerät während des Betriebs vom Netzwerk aus ansteuern und mit Konfigurations- oder anderen Daten versorgen.

Ausfallzeiten aufs Minimum reduziert

Der durchgängige Lösungsansatz führt zu einer höheren Verfügbarkeit der Produktionsanlage. Ersatzteile lassen sich schneller beschaffen. Weil deren jeweilige Struktur und Geometrie zur Verfügung stehen, können sie darüber hinaus auch rascher repariert werden. Unter dem Strich gibt es weniger ungeplante Ausfälle.

Aber Digital Twins kommen sogar noch früher zu Einsatz. Mit Hilfe von Simulationen bildet beispielsweise der Maschinenbauer Optima seine Verpackungsmaschinen virtuell nach , testet und validiert sie aber zudem auch noch digital. So lassen sich Umrüstvorgänge und der Produktfluss über den gesamten Lebenszyklus der Maschine berechnen und optimieren, bevor die Maschine tatsächlich gebaut ist. Nach der Installation sendet der reale Bruder dann über die Cloud Stückzahlen, Downtime-Analysen oder Energiedaten an den virtuellen Zwilling und verfeinert damit die Planung.

Digital ist günstiger und schneller

Enormes Sparpotenzial bieten Digital Twins vor allem im Bereich Prototyping . Bislang entstehen physikalische Modelle oft erst sehr spät im Produktentwicklungsprozess, wenn die Konstruktion schon sehr nahe am späteren Serienzustand ist. Denn Änderungen in der Konstruktion würden den Prototypen wertlos machen – und die ohnehin hohen Kosten deutlich steigern. Ein digitales Abbild zu schaffen, das Simulationen zulässt, jederzeit mit wenig Aufwand veränderbar ist und sogar auf physikalische Einflüsse wie Funkwellen reagieren kann, ist da die bessere Variante.

Das digitale Modell ist dabei weit mehr als eine bloße 3D-Darstellung: Big Data und das Internet der Dinge ermöglichen es, eine Vielzahl von Informationen zu Produkten zusammenzufügen und ein realistisches Abbild zu schaffen.

Im sicheren Hafen

Dabei beschränkt sich die Anwendung keineswegs auf den Produktionsbereich. General Electric (GE) stattet Kreuzfahrtschiffe mit Sensoren aus, die unter anderem Verschleiß messen, Wetterdaten einbeziehen und die Routenführung verbessern – das soll Zeit und Sprit sparen und manchmal auch raue See vermeiden. Und wenn sich ein Teil des Schiffes schneller abnutzt, könnte das System Alarm schlagen und der Kapitän so umsteuern, dass der Teil weniger belastet wird.

Dazu bedarf es eines Digitalen Zwillings, der im sicheren Hafen eines Rechenzentrums vor Anker liegt und lediglich mit digitalem Gegenwind rechnen muss. Mit ähnlicher Software verwaltet GE bereits Daten von Windrädern, Bohrinseln oder auch von Flugzeugen. Auf einem Flug von Frankfurt nach London sammelt jedes Triebwerk zwischen einem und zwei Terabyte Daten, die es per Satellit an die Zentrale überträgt. Das digitale Abbild stellt die Informationen in Echtzeit dar. Lässt sich dabei eine mögliche Beeinträchtigung erkennen, kann das Wartungspersonal bereits mit dem passenden Ersatzteil am Zielflughafen bereit stehen, wenn der echte Flieger landet.

Digital Twins auf der HANNOVER MESSE

Virtuelle Abbilder bilden auch auf der HANNOVER MESSE ein zentrales Thema und finden sich in zahlreichen Bereichen wieder. Etwa im Rahmen der Leitmesse Digital Factory , in der es unter anderem um die Frage geht, wie die Industrie das Potenzial digitaler Möglichkeiten am besten erschließen kann.